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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Breite Deine Flügel über mir, und halte mich bei der Hand, wenn der Richterspruch des Ewigen über mich ergehen soll. Du bist der treue Hirte. Weide auch mein Lämmlein, welches ich zurücklassen muß. Gib Deinen Engeln Befehl, daß sie über ihm wachen und es vor Sünde und Fehl bewahren. Laß sein Leben ein helles und freundliches sein, wie das meinige ein dunkles und trauriges war.
    Milda, Milda, Deine Mutter stirbt. Schlaf wohl, Du Liebling meines armen Lebens. Mein Auge wird dunkel; mein Herz bricht. Ich kann nicht mehr. Leb wohl, leb wohl, leb wohl!“
    Nur unter heftigem Schluchzen und strömenden Tränen war es der Tochter möglich gewesen, die Zeilen der sterbenden Mutter zu Ende zu lesen. Jetzt warf sie den Brief auf den Tisch, barg das Gesicht in die Hände und brach in ein krampfhaftes Jammern aus.
    Frau Holberg weinte ebenso. Sie nahm Milda in ihre Arme, zog das kleine, schöne Köpfchen an ihre Brust, strich ihr mit der Hand liebkosend über das reiche, seidenweiche Haar und sagte:
    „Fassung, Fassung, mein liebes Kind! Deine gute Mutter ist bei den Seligen des Himmels. Sie hat nicht gesündigt. Selbst das irdische Gesetz würde sie freisprechen, denn die Frau braucht den Mann nicht anzuklagen.“
    „Um meinetwillen – um meinetwillen hat sie es getan!“ stöhnte Milda.
    „Eben darum ist es keine Sünde! Oder willst du sie verdammen?“
    Da blickte sie unter Tränen erschrocken auf und antwortete:
    „Ich, sie verdammen, die nur um meinetwillen diese Schuld auf sich genommen hat? Nein! Wenn es möglich wäre, daß meine Liebe sich steigern könnte, so würde ich sie doppelt lieb haben dafür. Oh, könnte meine Liebe bis gen Himmel reichen. Ich wollte mit warmen Kindesarmen hinauflangen und sie umfassen, um ihr Dank zu bringen aus dem tiefsten Grunde meiner Seele!“
    „So ist's recht, Milda. Du kannst die Liebe einer Mutter nicht begreifen. Nur wer selbst Mutter gewesen ist, der weiß, welche Opfer sie zu bringen vermag.“
    „Und welch ein größeres Opfer gibt es, als eine solche Schuld für das Kind auf sich zu nehmen, ja mit hinüber in den Tod zu nehmen. Ich möchte in Tränen zerfließen vor Herzeleid, daß sie es getan hat. Hätte sie mich doch arm werden lassen, so stände sie jetzt rein vor Gottes Thron, und der Vater im Himmel hätte sich meiner wohl erbarmt und mich durch das Leben mit seiner Gotteshand geleitet.“
    „Denke nicht daran, liebes Kind. Es ist nun nicht zu ändern.“
    „Ja, das ist der gewöhnliche triviale Trost, nach welchem der schwache Mensch greift wie der Ertrinkende nach dem Strohhalm. Wer hätte das denken können, wer, wer, daß der Vater sogar ein Mörder sei!“
    „Noch ist's ja nicht erwiesen.“
    „Es ist erwiesen.“
    „Nein.“
    „Und doch. Der untrüglichste Richter hat ihn verurteilt, derjenige Richter, der sich niemals irren kann.“
    „Welchen meinst du?“
    „Meine Mutter und – mich.“
    „Ach. Du glaubst es?“
    „Ja. Wenn die Frau den Mann und das Kind den Vater eines solchen Verbrechens für fähig halten, wenn beide es ihm zutrauen, so hat er es auch begangen. Das liebende Herz ist ja gern bereit, das Beste zu denken. Wenn es dann aber gezwungen ist, Schlimmes zu denken, so ist dieses Schlimme auch wirklich geschehen. Wäre er noch da, so würde ich ihn zwingen, es mir zu gestehen.“
    „Er würde es nicht tun.“
    „Er müßte! Und ich werde zu ihm gehen. Er muß mir alles, alles sagen.“
    „Milda! Zu ihm? Das tu nicht.“
    „Ich muß ja.“
    „Wer zwingt dich dazu?“
    „Die Mutter. Ich muß mir das Buch holen. Es ist nicht hier. Es befindet sich noch in Wien in unserer Wohnung, und ich habe keine Ruhe, als bis ich das Testament in meinen Händen habe.“
    „Hole es, ja hole es meinetwegen; aber sprich zu deinem Vater nicht davon.“
    „Warum soll ich nicht sprechen?“
    „Es wird eine entsetzliche Szene geben.“
    „Die soll es geben, und ich selbst werde es sein, der sie heraufbeschwört. Ich habe die heilige Verpflichtung, ihm ein Geständnis abzuzwingen. Legt er es ab, bereut er, was er getan hat, nun so wird sich die Angelegenheit wohl in milderer Art und Weise erledigen lassen. Leugnet er aber, so soll ihn die Strafe treffen, und ich selbst, seine Tochter, werde es sein, welche diese Gerechtigkeit vom Richter begehrt.“
    „Schrecklich! Ist das nicht gegen alles menschliche Gefühl?“
    „Eigentlich wohl; aber ist nicht auch jedes Verbrechen, sind nicht grad diejenigen Verbrechen, deren sich mein Vater schuldig

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