Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
ähnlich.“
    „Wirklich?“
    „Ja, nur daß deine Züge etwas mehr eigenen Willen und Energie verraten.“
    „Möglich. Leider hatte sie niemals einen eigenen Willen gehabt. Sie war ein weiches, liebebedürftiges, anschlußsuchendes Gemüt. Sie konnte für und in jemand ganz und gar aufgehen. Das ist ihr Unglück gewesen. Hätte sie mehr Selbständigkeit besessen, so wäre sie dem Vater wohl öfters entgegengetreten, und der Kummer hätte sie nicht so schnell aufreiben können.“
    Sie kniete vor dem Stuhl nieder, auf welchen sie das Porträt gestellt hatte, drückte dasselbe mit beiden Armen an ihre Brust, gradso als ob sie die Mutter lebend vor sich habe und dieselbe umarmen wollte, und sagte dann in tiefster Betrübnis:
    „Meine Mutter! Was würdest du jammern und klagen, wenn du heut noch lebtest und das Fürchterliche erfahren hättest. Nun aber weilst du droben bei Gott unter den Seligen, und kein irdisches Leid kann dich noch anfechten. Blicke auf mich herab, und bitte den Allgütigen, daß er mir Kraft verleihen möge, diesen Seelenjammer zu ertragen und zu überwinden!“
    Da legte Frau Holberg die Hand zärtlich auf ihre Schulter und sprach:
    „Ja, sie ist bei den Seligen; aber hier unten hast du eine andere, welche dich mit innigster Mutterliebe empfängt und dir gern helfen wird, den Gram zu besiegen.“
    „Ja, ich habe ja dich!“
    Sie erhob sich und schlang ihre Arme um die Frau, welche durch denselben Mann so unglücklich geworden war. Beide weinten vereint Tränen des Schmerzes und – der Liebe.
    Als Milda dann das Bild wieder in den Schrank zurücklegte, fiel ihr Blick auf einige andere in demselben befindliche Gegenstände.
    „Das ist mein Kassenschrank“, sagte sie. „Grade jetzt befinden sich ganz bedeutende Summen darin, welcher ich zum Ausbau und zur Einrichtung des Schlosses bedarf. Aber außerdem verbirgt er noch Kostbarkeiten, welche von weit höherem Wert sind. Hier in diesem Kasten liegen zum Beispiel die Brautjuwelen meiner Mutter. Es ist ihr letzter Wille gewesen, daß ich den Schmuck bei meiner Vermählung zum ersten Mal trage.“
    „Wann wird das sein?“ fragte Frau Holberg lächelnd.
    „Wohl nimmer.“
    „Willst du ledig bleiben oder in das Kloster gehen?“
    „Das letztere wäre gar nicht so unmöglich, wie du vielleicht denken magst. Wenn ein Vater in dieser Weise sündigt, so hat seine Tochter gar wohl Veranlassung, eine Braut des Himmels zu werden, um bei Gott für ihn um Gnade und Nachsicht zu bitten.“
    „Kind, das ist doch nicht dein Ernst?“ fragte die Bürgermeisterin fast erschrocken.
    „Erschrick nicht! Ich habe noch nicht daran gedacht. Nur deine Frage brachte mich zu dieser Antwort. Aber ob ich jemals die Braut eines Mannes werde, das möchte ich bezweifeln.“
    „Warum?“
    „Weil ich mir die Eigenschaften nicht zutraue, welche notwendig sind, einen Mann glücklich zu machen.“
    „Du? Du solltest diese Eigenschaften nicht besitzen!“
    „Wohl kaum.“
    „Ich bin im Gegenteil überzeugt, daß sie im höchsten Grad dein Eigen sind.“
    „Mein liebes, neues Mütterchen, da möchtest du dich wohl täuschen!“
    „Wohl kaum!“
    „O doch! Eben weil du mein neues Mütterchen bist, mein neues, kennst du mich noch viel zu wenig. Lerne mich nur erst richtig kennen, so wirst du mir rechtgeben.“
    „Und ob ich dich kenne. Weißt du, wer die größte Lehrmeisterin in Beziehung der Menschenkenntnis ist?“
    „Wohl du?“
    „O nein. Die Liebe ist's. Und weil ich dich so herzlich liebe, kenne ich dich genau. Ich denke und fühle mit dir. Deine Gedanken und Regungen sind mir so offenbar, als ob sie die meinigen wären. Nein, du täuschst dich in dir selbst. Wenn eine die Eigenschaften besitzt, welche dazu gehören, einen Mann glücklich zu machen, so bist du das!“
    „Ja, ich höre, daß du mich liebhast, denn du beurteilst mich mit der Nachsicht einer Mutter. Ich aber kenne mich besser. Ich habe meine Jugend in Einsamkeit verbracht, weil, weil –“
    Sie hielt errötend inne.
    „Weil –? Nun, warum?“
    „Das möchte ich lieber nicht sagen.“
    „Sage es nicht; ich weiß es doch.“
    „Du kannst es nicht wissen. Ich habe ja davon zu dir gar nicht gesprochen.“
    „Und dennoch weiß ich es.“
    „Willst du allwissend sein?“
    „Nein, aber ich kenne deinen Vater und infolgedessen ist es mir leicht, es zu erraten. Du bist schön und –“
    „Schweig!“ bat Milda verschämt, indem sie ihr die Hand auf den Mund legte.
    „Warum soll ich

Weitere Kostenlose Bücher