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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Preis?“
    „Ja, du, du, du!“ antwortete sie in beinahe jauchzendem Ton.
    „O Gott!“
    Er sagte diese zwei Silben; dann sank er auf den Stuhl und faltete die Hände.
    „Rudolf, Rudolf! Was ist dir?“
    Sie trat besorgt zu ihm hin. Er aber hob den Kopf empor, blickte sie mit verklärtem Gesicht an und sagte:
    „Mutter, bei meiner Jugend, den ersten Preis. Wir haben gewonnen. Nun werden wir nicht Not leiden.“
    „Nein, nein, denn es kommt noch eine Nachricht, die fast ebenso freudig ist wie die erstere: Du bekommst die Kirche zu bauen.“
    „Ich – ich – ich?“ stammelte er.
    „Ja. Du sollst die Oberleitung übernehmen. Und weißt du, welche Kirche es ist?“
    „Nein. Es war nur angegeben, daß ungefähr sechzigtausend Mark zu Verfügung ständen, sodann noch einige nebensächliche Bemerkungen gemacht. An welchem Ort sie erbaut werden soll, weiß ich aber nicht.“
    „So rate einmal.“
    „Wer könnte das.“
    „Nun, wo gibt es denn eine Gemeinde, welche wünscht, eine neue Kirche erbauen zu können, weil die alte einzustürzen droht?“
    „Freilich hier bei uns. Leider aber fehlt das Geld dazu.“
    „Der König gibt ja die sechzigtausend Mark aus seiner Privatschatulle.“
    Da sprang er wieder von seinem Stuhl auf.
    „Was?“ fragte er. „Wär's hier bei uns?“
    „Ja. Die hiesige Kirche bekommst du zu bauen, ganz nach deinem Entwurf. Denk dir das Glück, die Ehre, das Aufsehen in der ganzen Gegend, ja im ganzen Land, wenn ein junger Mensch von deinem Alter so ausgezeichnet wird.“
    „Mutter, Mutter! Welch eine Seligkeit! Ich bin ganz außer mir. Ich muß gleich morgen zum König, um ihm fußfällig zu danken.“
    „Er sagte, daß er sich ins Einvernehmen mit dir setzen werde.“
    „Mein Glück ist gemacht! Welch ein Tag! Er ist der schönste und seligste meines Lebens.“
    Nun saßen die beiden in stiller Wonne noch lange beisammen und schwelgten in dem Gedanken an eine heitere, sorgenfreie Zukunft. Erst spät suchten sie die Ruhe; aber bei Rudolf wollte der Schlaf nicht kommen. Er stand auf, zog sich an und ging fort, hinaus in den Wald.
    In solchen Tagen des Glücks ist der Geist des Menschen doppelt produktiv. In Rudolfs Kopf jagten sich Gedanken, Pläne und Entwürfe, und doch arbeitete nicht der Kopf allein, sondern das Herz auch mit, aber still und heimlich, ohne daß er es merkte: Er lenkte seine Schritte weiter und weiter, bald langsamer und bald schneller, bis er zu seinem Erstaunen an der nach Schloß Steinegg führenden Straße stand.
    Er blickte nach seiner Uhr. Zwar hatte er der schönen Schloßherrin versprochen, sie des Vormittags aufzusuchen, aber jetzt war es erst so früh am Tag, das er unmöglich schon nach Steinegg gehen konnte.
    Indem er überlegte, wohin er sich am besten wenden werde, hörte er eilige Schritte. Er blickte nach links, in der Richtung nach Hohenwald, und sah seinen Freund Max Walther um eine Ecke des Gehölzes biegen. Auch dieser erblickte ihn und rief erfreut:
    „Rudolf, du hier? So früh? Willkommen! Hast mir doch gestern abend gar nichts von der Absicht mitgeteilt, so zeitig eine Morgenpromenade zu machen.“
    „Ich wußte selbst nichts davon. Ich konnte nicht schlafen; da stand ich auf und lief im Wald herum, in mich selbst verloren, bis ich mich zu meinem Erstaunen hier wiederfand.“
    „Hier auf dem Weg nach Steinegg! Ja, der Magnet, der Magnet!“
    Rudolf errötete.
    „Schweig! Du tust mir wehe! Ich überlegte eben, nach welcher Richtung ich weiter spazieren solle; da kamst du.“
    „So habe ich dich also gestört, und du weißt noch immer nicht, wohin?“
    „So ist's.“
    „Nun, so wach aus deinen Träumen und folge mir nach Steinegg.“
    „Unmöglich.“
    „Wohl wegen der zu frühen Stunde? Pah! Milda nimmt es dir nicht übel.“
    „Sie schläft auf alle Fälle noch.“
    „Nein. Sie hat noch am Spätabend zu mir geschickt, daß ich zu einer Besprechung ganz zeitig zu ihr kommen soll. Sie ist jedenfalls wach.“
    „Ist's etwas so Notwendiges?“
    „Ja, komm. Es ist sogar möglich, daß sie gar nicht geschlafen hat.“
    „Grad so wie ich!“
    „Ja, was ist es denn gewesen, was dir die Ruhe geraubt hat, edler Freund und lieber Jüngling?“
    „Eine große Freudenbotschaft. Das Entzücken hat mich wieder aus dem Bett getrieben.“
    „So ist dein Entzücken sehr unruhiger Natur. Der Mensch hat um seiner selbst willen die Verpflichtung, des süßen Schlafes täglich nach allen Kräften zu pflegen, denn der Schlaf ist derjenige

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