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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Freilich hast du mich in der Weise beleidigt und dich gegen den mir schuldigen Gehorsam vergangen, daß es mir jedenfalls große Mühe machen wird, dir zu verzeihen.“
    „Vielleicht finde ich diese Verzeihung nicht einmal.“
    „Das ist sehr leicht möglich.“
    Er setzte sich auf einen Stuhl, legte die Beine übereinander, klopfte sich die Stiefel mit der Reitgerte und fuhr in leichtem Ton fort:
    „Du hast nicht nur mich, sondern auch andere beleidigt. Das verschlimmert das Übel.“
    „Wen soll ich beleidigt haben?“
    „Asta natürlich, die doch deine beste Freundin war, und den Sänger, die du beide ja geradezu aus Steinegg fortgejagt hast. Wenn ich dir verzeihen soll, so verlange ich vor allen Dingen, daß du diese beiden um Entschuldigung bittest.“
    „Das werde ich freilich nicht tun.“
    Er blickte schnell auf zu ihr.
    „Dann kann auch keine Rede davon sein, daß ich dir verzeihe.“
    „Wer sagt denn, daß ich gekommen bin, um Verzeihung zu suchen!“
    Sie hatte sich nicht gesetzt. Sie lehnte am Tisch, auf dessen Platte sie sich mit der Hand stützte. Erst jetzt blickte er ihr genauer und forschend in das Gesicht. Ja, das war freilich nicht die Miene einer Büßerin, die ihm da kalt, streng entgegenblickte. Es begann ihm einigermaßen unheimlich zu werden.
    „Warum sollst du denn sonst gekommen sein?“ fragte er.
    „Um einige Arrangements mit Ihnen zu treffen.“
    Er stieß ein kurzes, ärgerliches Lachen aus.
    „Ihnen, Ihnen! Mache dich doch nicht lächerlich! Es ist doch die reine Hanswurstiade, den Vater Sie zu nennen.“
    „Das ist richtig; aber ich erkenne Sie, wie ich Ihnen bereits sagte, nicht als meinen Vater an. Sie sind mein Erzeuger, aber nicht mein Vater. Sie sind mir fremder, als der fremdeste Mensch. Darum habe ich weder das Recht noch die Lust, Ihnen das trauliche du zu erteilen, welches nur zwischen Verwandten und Freunden am Platz ist.“
    Er schielte sie von der Seite an, machte eine ungeduldige Achselbewegung und sagte:
    „Ganz wie du willst! Es kann mir nicht einfallen, mit dir über Dummheiten zu reden, welche sonst nur Kinder oder Idioten zu begehen pflegen. Also machen wir die Sache kurz. Weshalb bist du nach Wien gekommen?“
    „Zunächst in einer rein geschäftlichen Angelegenheit.“
    „Ah, schön! Ich hoffe, du hast eingesehen, daß ein Vater mehr Rechte auf das Vermögen seiner Tochter besitzt, als du mir bisher eingeräumt hast.“
    „Davon ist keine Rede. Ich wollte Sie vielmehr bitten, mir behilflich zu sein, mich mit einem sehr bedeutenden Gläubiger zu ordnen, den wir zu befriedigen haben.“
    „Gläubiger? Wir?“
    „Ja.“
    „Gibt es keinen.“
    „O doch!“
    „Nein. Du sagst doch ‚wir‘. Da gibt es keinen. Ich habe Gläubiger, das will ich ja gestehen; aber ‚wir‘ haben keinen einzigen.“
    „Wir haben einen, einen einzigen. Und dessen Forderung ist so bedeutend, daß es uns unmöglich sein wird, ihn zu befriedigen.“
    „Was fällt dir ein!“
    „Von einem Einfall ist keine Rede.“
    „Einen solchen Gläubiger müßte ich doch unbedingt auch kennen.“
    „Natürlich kennen Sie ihn.“
    „Wer soll es denn sein?“
    „Die Familie von Sandau.“
    Er machte eine Bewegung, von seinem Stuhl aufzuspringen, beherrschte sich aber und meinte lachend:
    „Das ist doch jedenfalls das Ergebnis eines albernen Traums, den du heute nacht gehabt hast.“
    „Nein, sondern es ist das Ergebnis unumstößlicher Beweise, welche vorliegen!“
    „So! Kannst du diese Beweise vielleicht führen?“
    „Ja.“
    „Schön! Tue es. Ich bin wirklich begierig, wie du das anfangen wirst.“
    „Zunächst habe ich hier das echte Testament der Tante Sendingen. Sie werden es wohl kennen.“
    Sie hielt ihm das Schriftstück entgegen. Er wollte danach greifen; sie aber zog es zurück und versteckte es schnell in ihrem Busen.
    „Zeig her!“ rief er.
    „Sie bekommen es nicht in die Hand.“
    „Oho! Wollen sehen. Woher hast du den Wisch, der jedenfalls eine Fälschung ist.“
    „Mutter hat ihn mir aufgehoben.“
    „Wo?“
    „Unter dem Einband dieses Buches hier.“
    „Woher hast du das gewußt?“
    „Sie schreibt es mir.“
    „Ah! Wie geht das zu?“
    Jetzt war er von seinem Sitz aufgestanden.
    „Sie sind nicht wert, die letzten Worte meiner guten, sterbenden Mutter zu hören, aber dennoch will ich sie Ihnen vorlesen, damit Sie erkennen sollen, welch ein erbärmlicher Mensch Sie sind, und daß es mir für alle Zeiten eine Unmöglichkeit sein muß, an Sie wie an

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