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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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natürlich hören müssen, und darum sah ich nur, als ich bei ihr ankam, noch den Rücken des Kerls, der bei ihr gewest war. Er sprang durch die Sträucher davon. Ich wollt ihm nach, aber sie hat mich anfaßt und fest halten, mit einer Kraft, die ich ihr niemals zutraut hätt. Ich hab sie fragt, wer der Mensch gewest sei; sie hat mich auslacht und es mir nicht sagt. Da bin ich noch wütiger geworden und hab ihr ein paar Schellen geben, daß sie hinstürzt ist. Da hat sie sich schnell wieder aufrafft und mir ein Gesicht macht, welches ich niemals vergessen werd. All ihre Schönheit und Lieblichkeit war verschwunden. Sie hat ausschaut wie ein Teufel und hat mich anzischt wie eine Natter. Indem sie die Faust ballt hat, rief sie mir zu: ‚Du sollst fortan deine verdammten Augen nicht mehr da haben, wo sie nicht hingehören! Merk dir's!‘ Dann ist sie auch davon sprungen.“
    „Herrgottle!“ sagte der Sepp. „Da möcht man doch beinahe denken, daß sie – na, ich will nix sagen. Fahr nur weiter fort!“
    Er hätte beinahe den Gedanken verraten, welcher sich ihm während dieser Unterhaltung bereits mehrere Male aufgedrängt hatte. Er hielt es aber für geraten, ihn zu verschweigen. Der Blinde erzählte weiter:
    „Am andern Tag bereits ist der Postbote kommen und hat mir abermals einen Briefen bracht. Darinnen hat standen, daß ich des Abends soll in den Garten – nun, ich brauch es ja nicht zu sagen, weil du es ja auch lesen kannst.“
    „Hast diesen Brief auch aufbewahrt?“
    „Ja. Die beiden Schreiben stecken immer beisammen. Hier ist er.“
    Er zog den Brief aus dem Gürtel, gab ihn dann Sepp und dieser las:
    „Ann dem Krohnenpauer hier.
    Dein Weip ißt Dier unträu. Wen Du sie erwiesenen wiellst, so geh heit Awand grat umm Miettemacht inn dem Garrten. Inn der hindren Lauwe wird sie miet ihm sizzen. Sie hawen sich dort hinn bestallt. Iech weis eß ganz genau.
    Dein gutter Fräund.“
    Der Sepp prüfte jedes Wort dieses orthographisch so fehlerhaft geschriebenen Briefes. Er schüttelte den Kopf und fragte:
    „Bist doch nicht etwa nach dem Garten und nach der Lauben gangen?“
    „Warum sollt ich nicht?“
    „Weil's der Samiel gewest ist, der dieses Schreiben macht hat.“
    „Das ist doch nicht wahr!“
    „Freilich ist's wahr. Das hättst doch sofort sehen müssen. Es ist ganz die gleiche Schrift.“
    „Wirklich? Ist sie es?“
    „Ja, ganz genau.“
    „Das hab ich mir nicht denkt. In meinem Ärger hab ich den Briefen gar nicht richtig anschaut.“
    „O weh! Es sind auch ganz dieselbigen Fehler drin. Und die Überschrift ‚Ann dem Krohnenpauer‘ ist ganz genau so, wie hier in dem ersten Brief.“
    „Himmel! Das hätt ich wissen sollt!“
    „So wärst heut vielleichten nicht blind!“
    „Ja, ja! Wie dumm, wie dumm bin ich gewest! Der Samiel hat mir eine Fallen stellt, und ich bin ganz hübsch und ohne alle Ahnungen hineinlaufen!“
    „So ist's, so ist's! Armer Teufel! Jetzunder kann ich dich nun erst recht bedauern. Es muß schrecklich gewest sein.“
    „Ja. Ich hab natürlich wie im Fieber auf die Mitternacht wartet. Als die Zeit da war, bin ich erst nach der Stuben gangen, wo meine Frauen schlafen tat. Ich hab mich vorher überzeugen wollt, ob sie auch da ist oder nicht. In der Stub brannte Licht. Als ich anklopft, hat sie nicht antwortet. Ich hab mehrere Male klopft, aber vergebens. Dann hab ich durch das Schlüsselloch schaut. Es ist leer gewest, weil der Schlüssel nicht steckt hat, und ich konnt in die Schlafstuben schauen. Sie hat den Schlüssel stets von innen ansteckt. Weil er nicht da war, konnt ich mir schon darum denken, daß auch das Kätherl fort sei. Dazu hab ich schaut, daß das Bett noch ganz unberührt stand. Auch das Kanapee und die Stühlen waren leer. Kein Mensch war drinnen. Ich hab zittert vor Aufregung und bin hinab in den Garten. Erst leise und heimlich, aber je näher ich der Lauben kommen bin, desto größer ist meine Wut worden. Nachher, als ich so nahe war, daß ich sie hab sehen könnt, bin ich wie ein Wütender darauf lossprungen und hinein.“
    Er sprach jetzt schnell, hastig. Er befand sich auch jetzt wieder in großer Aufregung, da er sich die kurzen Minuten vergegenwärtigte, während denen das Unglück über ihn hereingebrochen war. Der Sepp war außerordentlich gespannt auf das, was nun folgen werde.
    „Saßen's drin?“ fragte er.
    „Nein.“
    „Ah! Gott sei Dank!“
    „Sei still! Sag keinen Dank! Die Laube war die Falle, in die man mich lockt hatte. Es

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