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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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war Vollmond. Er schien so licht hinein, daß ich fast jedes einzelne Blatt schauen und unterscheiden konnte. Sie war leer, leer. Ich hab tief, tief Atem holt und das Herz ist mir leicht worden, weil ich nun denkt hab, daß man mich belogen hat und daß mir die Kätherl nicht untreu ist, wenigstens heut nicht. Ich hab wieder gehen wollt und mich umdreht. Aber als ich aus der Lauben trat, da – da stand er vor mir.“
    „Wer? Red' doch schnell!“
    „Der Samiel!“
    „Sapperment! Hast's denn auch wirklich sehen, daß er es ist?“
    „Natürlich! Er stand so da vor mir, wie er beschrieben worden ist, und wie er noch heut beschrieben wird, wann mal einer das Unglück hat, ihn zu schauen.“
    „Hast dir ihn auch richtig merkt?“
    „Ja. Es ist, als ob er noch jetzunder vor mir ständ, so genau weiß ich es noch. Er war ganz schwarz gekleidet. Schwarze Hosen, schwarze, kurze Jacke, einen schwarzen, breitkrempigen Hut und eine schwarze Larv vor dem Gesicht.“
    „Ja, das ist er, das ist er! Weiter! Hat er zu dir sprochen? Hat er was sagt?“
    „Ja.“
    „Wie war seine Stimme, tief oder hoch?“
    „Tief, sehr tief.“
    Bei dieser Antwort wich die Spannung, mit welcher Sepp diese Fragen ausgesprochen hatte. Auf seinem Gesicht nahm der Ausdruck der Täuschung Platz. Er sagte in gesenktem Ton:
    „Tief, sehr tief! Ich hab mir denkt, daß die Stimme hoch gewest sein muß.“
    „Wie ein Tenor?“
    „Sogar wie ein Alt oder Diskant.“
    „So sprechen doch nur Kinder und Frauen; der Samiel aber ist ein Mann. Auch kannst dir denken, daß seine Stimm tief gewest sein muß, weil er die Larv vor dem Mund habt hat.“
    „Ja, ja“, stimmte Sepp schnell ein. „Er hat wohl seine Stimm verstellt und tiefer sprochen wie gewöhnlich, und durch die Larv hat's noch tiefer klungen.“
    „Warum meinst, daß er die Stimm verstellt haben soll?“
    „Damit du ihn nicht an derselbigen erkennst.“
    „So denkst also noch immer, daß er ein Bekannter von mir ist.“
    „Nach allem, wast bisher verzählt hast, muß er ein solcher sein.“
    „Und ich kann das nicht glauben. Ich kann's nicht für möglich halten.“
    „Wollen uns nicht darüber streiten. Sag lieber, wie es nachher weitergangen ist. Also er hat vor dir standen und – warte noch, Kronenbauer! Weißt auch seine Gestalt noch? Hast sie dir merkt?“
    „Ja.“
    „Wie war sie? Klein oder groß?“
    „Er war klein, fast so klein, daß ich's nicht glauben mocht, daß er solche Taten begehen kann.“
    „War er dürr?“
    „O nein, aber er war auch kein Dicker.“
    „So, so! Hm, hm!“
    Der Sepp brummte diese Silben so langsam und nachdenklich, daß es dem Bauern auffiel. Darum fragte dieser:
    „Was hast? Denkst dir vielleichten was bei dieser Gestalt?“
    „Ja.“
    „Was denn?“
    „Was ich denk, das ist mir selber noch nicht ganz klar. Ich muß zu Rat gehen mit der Meinung, die ich mir bilden will. Nachher wann ich denk, daß ich das Richtige troffen hab, werd ich's dir sagen. Also, was hat er sprochen?“
    „Er hat fragt: ‚Was willst hier, Kronenbauer?‘“
    „Und was hast ihm antwortet?“
    „Nix, kein Wort. Ich bin so starr und verschrocken gewest, daß ich gar nicht hab reden könnt. Es ist gewest, als ob mir die Kehl zugeschnürt worden sei.“
    „Das war gefehlt; das war sehr gefehlt. Ich hätt das ganz anderst macht an deiner Stell.“
    „So! Was hättst denn macht?“
    „Ich hätt mich schnell auf ihn stürzt, ihn zu Boden worfen und da entweder so würgt, daß ihm der Atem vergangen wär, oder laut um Hilf gerufen. Auf keinen Fall hätt ich ihn entkommen lassen.“
    „So sagst jetzt. Aber wannst an meiner Stell gewest wärst, so wär dir's ganz ebenso ergangen wie mir. Wer am warmen Ofen sitzt, der kann nicht frieren, wann's draußen schneit. Und wann er sagt, daß er sich draußen nicht verkälten würde, so mag er nur hinausgehen in den Sturm und Schnee und es versuchen.“
    „Vielleicht hast recht, vielleicht auch nicht. Ich bin schon in Lagen gewest, die ganz ähnlich waren wie die deinige; aber so verschrocken bin ich nicht wie du. Reden hab ich allemal könnt und zuschlagen auch. Hat er nicht über dich lacht, daßt so steif und starr vor Angst warst?“
    „Nein. Er hat weiter fragt: ‚Suchst etwa deine Frau?‘ Und darauf hab ich mit ‚Ja‘ antwortet, grad wie ein Schulbub, wann der Lehrern ihn examiniert. Magst immer über mich spotten, Sepp. Ich bin kein Furchtsamer und kein Hasenherz gewest all mein Lebtag nicht, aber an

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