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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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etwa, daß es für sie ein leichtes ist, den Hof zu verlassen?“
    Kery schritt einige Male in der Stube auf und ab. Dann war er zu einem Entschluß gekommen. Er teilte denselben mit:
    „Ich würde meine Einwilligung zu dieser Ehe nun nicht geben; aber ich will nichts unterlassen, was zu tun mir meine Pflicht gebietet. Ich werde also mit ihr reden.“
    „Läßt du sie heraufkommen?“
    „Nein. Ich gehe hinab.“
    „Wir mit?“
    „Nein. Ich muß mit ihnen allein sein. Vielleicht lasse ich euch nachher holen, damit ihr den Bescheid erfahren sollt.“
    Er steckte den Brief und den Revolver zu sich und ging hinab in die Wohnstube. –
    Ludwig hatte sich, um nicht erwischt zu werden, hinauf in seine bisherige Kammer begeben. Dieselbe lag im gleichen Korridore mit der Stube des Bauern. Er zog sich den Stuhl an die Tür, machte diese eine kleine Spalte auf und setzte sich nieder. Auf diese Weise konnte er ganz bequem beobachten, was auf dem Korridor vorging.
    Jetzt hörte er den Bauern hinabgehen. Er konnte ihn zwar nicht sehen, weil es im Gange dunkel war, aber er kannte den Schritt zu genau, als daß er sich hätte irren können.
    Ludwig war ein anstelliger Kopf. Er erriet sofort, was Kery unten wolle. Es kam sehr viel darauf an, zu hören, was er sagen werde; darum schlich er sich ihm sofort nach, in die Küche.
    Es war sehr gut, daß er nicht noch schneller gemacht hatte, sonst wäre er von Kery erwischt worden.
    Als dieser unten in die Stube trat, saß seine Frau mit Gisela am Tisch, auf welchem eine Lampe brannte. Sie hatten sich eine weibliche Arbeit vorgenommen.
    „Ist jemand in der Küche?“ fragte er.
    „Nein“, lautete die Antwort.
    „Will doch erst nachsehen.“
    Er öffnete die Tür, welche aus der Stube hinausführte. Es war niemand darinnen. Das beruhigte ihn. Kaum aber hatte er die Tür wieder geschlossen, so trat Ludwig zu der anderen leise herein, welche aus dem Hausflur nach der Küche führte. Er huschte an das Fenster, sah eben noch, daß der Bauer nach dem Tisch ging, schob schnell bei beiden Türen den Riegel vor, um ja von keiner Seite überrascht werden zu können, und blieb dann neben dem Fenster stehen. Da konnte er alles hören und auch sehen.
    Kery blieb nicht am Tisch stehen. Er wendete sich wieder um und begann nun, mit großen Schritten auf und ab zu gehen. Er wußte nicht, wie er beginnen solle.
    Das, was er jetzt fühlte, hatte er in seinem ganzen Leben nicht gefühlt. Es war ihm so weich und wehe in seinem Herzen.
    Dort saß die Frau, der er vor dem Altar versprochen hatte, ihr das Leben leichtzumachen und sie auf den Händen zu tragen. Und wie hatte er sein Versprechen gehalten! Diesem lieben, guten, geduldigen Wesen hatte er das Leben zur Hölle gemacht. Er war der Herr, sie aber die Sklavin gewesen. Und sie hatte es still, ruhig und ohne Murren ertragen. Er fühlte ein unendliches Mitleid für sie und einen Grimm, einen maßlosen Grimm gegen sich selbst. Jetzt, in diesem Augenblick erkannte er zum ersten Mal, wie lieb er sie trotzdem und trotz alledem gehabt hatte und noch hatte.
    Und dort die Tochter, die blühende, bildschöne Tochter. Was war er gewesen? Etwa ein freundlicher, zärtlich besorgter Vater? Ein fröhlicher, teilnehmender, nachsichtiger Beschützer ihrer Jugend? Nein, und wieder nein. Ein harter, egoistischer Tyrann war er gewesen. Oh, er wußte jetzt, wie sehr er gesündigt hatte und wie groß seine Pflicht war, alles gutzumachen.
    Gutzumachen! Ja, das war nun nicht mehr möglich. Es war zu spät. Zu spät! Welch ein fürchterliches Wort für den Reuigen, dessen Seele nach Sühne lechzt! Der Bauer ballte beide Fäuste. Er hätte sich ermorden können und – pah, er wollte dies doch auch ohnedies tun!
    Die beiden Frauen blickten nicht von ihrer Arbeit auf. Es bangte ihnen vor ihm. Sie ahnten ja nicht, welche Gefühle jetzt sein Inneres bewegten.
    Da endlich blieb er bei ihnen stehen.
    „Bertha“, sagte er, „ihr habt den Brief gelesen. Wißt ihr, was er zu bedeuten hat?“
    Bertha! Das war ihr Name. Er hatte seine Frau seit langen Jahren nicht bei demselben genannt. Er hatte geglaubt, sich durch eine solche Zärtlichkeit den Respekt zu vergeben.
    Seine Stimme hatte bei der Frage leise gezittert. Sie klang mild und warm; fast lag der Anflug einer Furcht in ihrem Ton.
    Die Frau blickte überrascht auf. Er senkte den Blick. Er konnte ihr nicht in das offene, fragende Auge sehen.
    „Ja, wir wissen es“, antwortete sie.
    „Alles? Wißt ihr

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