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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Verlobungskuß.“
    Diese Aufforderung war an seinen Sohn gerichtet. Dieser hielt sich verlegen die Hand vor den Mund, hüstelte einige Male und schritt dann auf das Mädchen zu.
    Schon hob er die Arme, sie zu umschlingen, da blieb er aber halten. Sie tat gar nicht so, als ob sie sich von ihm küssen lassen wolle. Sie lachte ihm vielmehr so in das Gesicht, daß es ordentlich eine Beleidigung für ihn war.
    „Na, so mach doch und zier dich nicht!“ rief ihm sein Vater zu.
    Der Sohn kratzte sich hinter den Ohren und antwortete:
    „Hm, ja, sie will doch nicht!“
    „Warum nicht? Sie hat ja noch gar nichts dagegen gesagt!“
    „Aber schau sie doch an! Was sie für ein Gesicht macht!“
    „Ach was, Gesicht! Jede Jungfer zieht eine Visage, wenn sie im Beisein anderer geschmatzt werden soll. Nachher, wenn ihr unter vier Augen seid, wird sie schon ein anderes Gesicht machen.“
    Das erhöhte den Mut des vermeintlichen Bräutigams. Er hob die Arme abermals und trat näher zu ihr heran. Sie aber wich zurück und fragte:
    „Was willst du denn eigentlich?“
    „Du hast es doch gehört! Den Kuß.“
    „Ich habe keinen.“
    „Was?“ fragte er verblüfft.
    „Ich habe keinen für dich. Meine Küsse sind alle bereits von einem anderen bestellt.“
    „Mach keinen dummen Witz!“
    „Mit dir wird kein Witz gemacht. Ehe ich dir einen Kuß gebe – oh!“
    Es war ein unbeschreiblicher Abscheu, welcher aus diesem Ausruf sprach. Da wendete er sich zu seinem Vater zurück:
    „Da hast du es. Sie will nicht.“
    „So wird sie müssen. Kery, setz ihr doch mal den Kopf zurecht!“
    „Oh“, antwortete der Bauer, „den hat sie ganz auf der richtigen Stelle und das Herz auch. Ich wüßte ja gar nicht, weshalb sie sich von deinem Jungen küssen lassen sollte.“
    „Warum nicht? Sapperment! Zur Verlobung.“
    „Wo ist denn Verlobung?“
    „Na, hier!“
    Sein Gesicht nahm den Ausdruck größten Erstaunens an.
    „Wer hat denn das gesagt?“
    „Doch du!“
    „Ist mir nicht eingefallen.“
    Das Gesicht Osecs wurde länger und länger.
    „Donnerwetter!“ rief er aus. „Will man denn hier mit uns etwa Fastnacht spielen?“
    „Dazu sind wir viel zu ernst gestimmt.“
    „Nun, so ist's ja ganz in Ordnung, daß mein Bube deine Tochter umarmt.“
    „Du irrst. Ich glaube, daß du mich nicht richtig verstanden hast. Gisela mag ihn ja nicht.“
    Da fuhr Osec zornig auf:
    „Warum hast du das nicht gleich gesagt!“
    „Ich hab's gesagt.“
    „Nein.“
    „O doch! Ich habe gesagt, daß du den Hof nehmen und den Leuten sagen kannst, daß er dir gehört. Das ist nach unserer vorhergehenden Unterredung grad so viel, als wenn ich gesagt hätte, daß sie ihn nicht mag.“
    Da stieß der Alte seinen Stock auf die Diele und rief:
    „Auch gut! Weißt du nun, was folgt?“
    „Ja.“
    „Morgen präsentiere ich die Wechsel.“
    „Schön.“
    „Ich selbst.“
    „Ist mir lieb.“
    „Oder meinst du, daß ich mich vor dem Revolver fürchten soll?“
    „Das hast du nicht nötig. Ich habe nur Spaß gemacht.“
    „Ich komme aber schon früh beizeiten!“
    „Nur nicht schon während der Nacht. Alles hat seine Zeit, auch das Wechselpräsentieren.“
    „Was das betrifft, so brauchst du mich nicht zu belehren. Wirst du denn zahlen können?“
    „Das wirst du morgen sehen.“
    „Pah! So ein Heidengeld hat keiner beisammen. Sodann gehen die Wechsel sofort aufs Gericht zum Protest. Die Klage erfolgt. In vierzehn Tagen ist die Auspfändung da, und der Hof ist mein Eigentum.“
    „Das geht ja recht schnell!“
    Der Bauer lachte. Er konnte wirklich lachen. Wie groß mußte da die Veränderung sein, welche in seinem Innern sich vollzogen hatte.
    „Lach nur jetzt. Es wird schon noch das Weinen kommen.“
    „Das glaube ich nicht. Um deinetwillen weine ich nicht.“
    „Aber um des schönen Gutes willen!“
    „Auch da nicht. Ich kaufe mir ein anderes.“
    „Ja, ein Rittergut für sechs Kreuzer. Das wird eine schöne Wirtschaft werden. Da kannst du auch den schönen Ludwig wieder als Oberknecht zu dir nehmen. Dann paßt ihr zusammen, Lump zu Lump!“
    Da fuhr ihm der Bauer donnernd entgegen:
    „Osec, so kommst du mir nicht! Du hast mich zugrunde gerichtet, und ich will mich nicht dagegen wehren, obgleich sich gar wohl ein Punkt finden ließe, an welchem du noch zu fassen wärest; aber beschimpfen lasse ich mich nicht. Übrigens ist der Ludwig ein Ehrenmann. Sein kleiner Finger ist mehr wert, als ihr beide Kerls am ganzen Körper. Das will ich

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