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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht im Gesinde, sondern mein Gast. Du setzest dich mit herüber zum Herrentisch.“
    Das war noch niemals dagewesen. Die Knechte und Mägde machten große Augen und sperrten die Mäuler noch weiter auf.
    „Du, Christel, hast's gehört?“ fragte einer der Knechte, indem er der neben ihm sitzenden Magd einen Rippenstoß gab, daß sie fast vom Stuhl fiel.
    Sie griff sich in die Seite, rieb die betreffende Stelle eine Weile und antwortete, als der Atem zurückgekehrt war, den sie infolge des Stoßes verloren hatte:
    „Ja. Das ist ein tausend's Wunder!“
    „Gradezu ein Mirakel.“
    „Der Ludwig mit am Herrentisch!“
    Dabei fuhr sie mit dem Löffel, welchen sie voll Milchsuppe hatte, nach dem Ohr, anstatt in den Mund, und da der Löffel dort keinen Eingang fand, so lief ihr die Suppe am Hals herab.
    „Da kann noch was draus werden“, nickte der Knecht.
    Er war über die Weisheit, welche in dieser Prophezeiung zu liegen schien, selbst so erstaunt, daß er rund im Kreis ein Gesicht nach dem andern anblickte, um zu beobachten, ob diese Klugheit das erwartete Erstaunen hervorrufe. Dabei sah er nicht auf die Schüssel, und da fuhr er nicht nur mit dem Löffel, sondern mit der ganzen, schmutzigen Hand in die Milchsuppe.
    „Sackerment!“ sagte sein Nebenmann. „So paß doch auf! Willst du denn ersaufen?“
    „Wo denn?“ fragte der Gute, die Hand noch immer in der Suppe habend.
    „Da, hier in der Schüssel.“
    Erst jetzt sah er nieder und gewahrte, wohin er geraten war.
    „Verflucht!“ schimpfte er. „Jetzt könnt ich mich verbrennen!“
    Er ließ den Löffel drin liegen, zog die Hand zurück und leckte sie sich begierig ab. Dann schaute er rund auf dem Tisch herum.
    „Was suchst du denn?“ fragte einer.
    „Na, meinen Löffel natürlich.“
    „Der liegt ja in der Suppe.“
    „Der Esel! Als ob er da hinein gehört!“
    Er langte nun mit der rechten Hand wieder in die Schüssel, um zu fischen und brachte nun endlich den Löffel glücklich heraus.
    „Da ist er ja!“ meinte er befriedigt.
    Er leckte nun behaglich erst den Löffel und dann auch die beiden Hände ab. Dabei bemerkte er, daß die anderen aufgehört hatten, zu essen.
    „Na, macht nun wieder weiter!“ munterte er sie auf.
    „Was? Wir sollen diese Suppe essen?“
    „Na freilich!“
    „Wo du mit den Händen drin herumgelaufen bist! Schau sie nur an! Wie schaut sie aus! Was hast du denn dran kleben?“
    „Wagenschmiere.“
    „Damit fährst du in die Suppe, und wir sollen weiteressen? Pfui, Teufel!“
    „So laßt's bleiben! Mir ist's recht.“
    Er zog sich die Schüssel hin und begann nun, sich solo über ihren Inhalt herzumachen, und das mit einem solchen Eifer, daß sie ebenso schnell leer war, als wenn alle mitgegessen hätten.
    Daran war die Auszeichnung schuld, die der Oberknecht erlangt hatte.
    Am Herrentisch ging es nicht so lautlos wie gewöhnlich zu. Der Bauer war ganz anders als früher. Er redete! Da gab es Fragen und Antworten, Rede auf Rede, daß es schier zum Verwundern war.
    Als dann ein jeder seine Schuldigkeit getan hatte, sagte der Bauer, sich erhebend:
    „Heut abend gehe ich einmal in die Schenke. Was tust du, Ludwig?“
    „Ich habe einen notwendigen Gang.“
    „Dauert's lange?“
    „Das weiß ich noch nicht.“
    „Wenn's nicht zu spät ist, so kannst du ein wenig nachkommen.“
    Er zog den anderen Rock an, setzte den Hut auf und ging, nachdem er sich freundlich von Frau und Tochter verabschiedet hatte.
    Wieder gab es am Gesindetisch Rippenstöße und heimliche Bemerkungen.
    Giselas Gesicht glänzte vor Freude. Daß dem Geliebten eine so große Auszeichnung widerfahren war, erfüllte sie mit Stolz und Glück. Sie wußte nun, daß der Vater mit ihrer Liebe einverstanden sei.
    Als sie dann bemerkte, daß Ludwig sich zum Gehen anschickte, schlich sie sich hinaus vor die Tür, um ihn zu erwarten. Als er kam, ergriff sie seine Hand, zog ihn, um nicht mit ihm bemerkt zu werden, eine kleine Strecke fort und blieb dann stehen.
    „Ludwig“, sagte sie innig, „was für ein Tag ist das gewesen!“
    „Ein sehr guter!“
    „Ein glücklicher, der glücklichste meines Lebens!“
    „Weil der Vater gar so anderst worden ist. Nicht wahr?“
    „Ja, und besonders auch weil du es bist, dem wir es zu verdanken haben. Wie hast du das nur fertiggebracht?“
    „Ich hab's dem Vater derzählt.“
    „Darf ich's mit der Mutter nicht auch erfahren?“
    „Ja, ich werde es euch schon noch berichten.“
    „Heut?“
    „Da ist keine Zeit

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