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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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welcher das Dorf lag, und glaubte, nicht fehl gehen zu können. Sein Ortssinn war ihm ein vortrefflicher Führer. Obgleich er nur Fußpfade eingeschlagen hatte, sah er doch in vorausgesehener Zeit den kleinen, armen Gebirgsort vor sich liegen.
    Ein wenig müde von der Wanderung, setzte er sich auf einen mit Moos bewachsenen Fels nieder, welcher wie eine breite Bank aus der Bergwand ragte.
    Die Stelle war eine recht traulich heimliche. Drunten im Grund lag das Dorf, rechts und links zog sich dichtes Buschwerk die Höhen hinan, und gegenüber stieg ein schwarzer Hochwald düster empor. Hier und da schlang sich ein Bächlein wie ein Silberfaden durch das Grün.
    Der Ort, an welchem der König saß, mußte zuweilen besucht werden, wie aus gewissen Spuren und Anzeichen zu erraten war.
    Bald hatte er sich ausgeruht, und schon schickte er sich an, den Fels zu verlassen und zu Tal zu steigen, da ließ sich erst rechts und sodann auch links ein Jauchzer hören, der erster von einer männlichen, der letztere von einer weiblichen Stimme.
    Diese Jauchzer wiederholten sich und kamen dabei näher. Es war klar, daß die beiden Personen sich treffen wollten, und zwar wahrscheinlich hier.
    Warum er es tat, er wußte es eigentlich auch nicht – der König zog sich zurück. Aber er ging nicht abwärts, wo er einer der beiden Personen begegnet wäre, sondern er stieg von seiner Bank zu einer zweiten Felsplatte empor, welche wie ein Baldachin die erstere überragte und mit Sträuchern und Gras bestanden war. In das letztere ließ er sich nieder und verhielt sich von jetzt an ganz ruhig.
    „Hanna!“ ertönte es jetzt anstatt des bisherigen Jauchzers von links herüber.
    „Stephan!“ antwortete es von rechts.
    Nach wenigen Augenblicken vernahm der König Schritte. Er bog den Kopf vor und sah einen kräftigen Burschen, welcher die landläufige Gebirgstracht trug und mit raschen Sprüngen sich der Felsbank näherte.
    Das war jedenfalls Stephan, der gerufen worden war. Seine Kleidung ließ erraten, daß er nicht reich sei. Sein offenes Gesicht machte einen sympathischen Eindruck, doch lag um seine Mundwinkel ein herber Zug, welchen es früher in diesem Gesicht wohl nicht gegeben hatte. Er bildete etwas Fremdartiges, was nicht in die früher heitere Physiognomie paßte.
    Bald kamen auch von rechts herüber Schritte. Zwischen den Büschen trat ein schlankes Mädchen hervor, von ebenmäßiger Gestalt und hübschen, regelmäßigen Gesichtszügen, bei deren Anblick der König sofort an den Oberknecht Ludwig Held dachte.
    Auch sie war ärmlich, aber außerordentlich sauber gekleidet. Sie hätte noch für frisch gelten können, wenn sich nicht ihre Mundwinkeln wie entsagend herabgebogen und an ihren Augen jene Fältchen gezeigt hätten, welche man Krähenfüße nennt.
    Trotzdem war sie ein gar stattliches und begehrenswertes Kind.
    „Bist da, Stephan?“ sagte sie, ihm die Hand bietend. „Hast gut Zeit gehalten.“
    „Ja, Hanna, wir können schon gut Zeit halten. Wir haben es lernen mußt.“
    „Klagst schon gleich wieder!“
    „Ich möcht nicht aufihören mit klagen. Wann man sich so gar lieb hat wie wir und ist an die sieben Jahren in allen Ehren mitnander gangen, und es heißt immer nur Warten, Warten, so will das Herzerl doch auch mal unwillig werden. Andere, die sich lieben, die dürfen sich auch holen.“
    „Hast mich ja, Stephan!“
    „Ja, wann denn? Mal auf eine Viertelstund. Nachher mußt gleich wieder hinab zu dera Muttern.“
    „Sei stät, Bub! Dera Herrgott weiß am besten, was gut ist für den Menschen.“
    „Das glaub ich wohl; aber das gefallt mir nimmer, daß grad für uns beiden allein das Warten gut sein soll. Du tröstest immer und immer, um mir Mut zu machen. Aber ich weiß es, wannst allein bist so sieht's gar anderst aus. Dann kommt's auch trüb und bitter heraufi aus dera Seel, und in denen guten, lieben, braunen Guckerln laßt sich ein kleines Wassern sehen. Hab ich recht, Hanna?“
    Er schlang den Arm um sie und zog sie an sich.
    „Ja, kannst rechtschaffen recht haben“, antwortete sie, den Kopf an seine Schulter lehnend.
    „Ja, das hab ich mir denkt. Unsera Jugend geht vorübern, und nachher, wann's Alter kommt, haben wir uns noch immer nicht. Warum? Vatern sagt, auf dem Höhlbauershof kann der Herr keine Frau mit Kindern dernähren. Er hat recht, denn es ist ein gar wüstes Land, und aus Steinen machst kein Brot. Euer kleines Hüttel ist eigentlich für eine Ziegen zu eng, und doch wohnst mit dera Muttern

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