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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hat. Werdet glücklich, ihr braven, treuen Herzen! Ihr seid es wert!“
    Er schritt weiter. Nach der eingezogenen Erkundigung hatte er bis Eichenfeld gegen drei Viertelstunden zu gehen. Der Weg führte unausgesetzt durch Tannenwald, dessen Ränder zur Seite der Straße mit Gebüsch besetzt waren.
    Ungefähr eine Viertelstunde lang war der König gegangen. Da erblickte er einen Mann vor sich, welcher langsam und etwas unsicheren Schrittes dieselbe Richtung verfolgte. Da Ludwig schneller ging, hatte er ihn bald eingeholt.
    Als der Mann Schritte hinter sich hörte, blieb er stehen und drehte sich um. Ludwig sah ein farbloses, aufgedunsenes, bartstoppeliges Gesicht, aus dem zwei kleine Augen stechend ihre Beobachtungen machten. Der Leib des Menschen war angeschwemmt, die Beine krumm, das Haar wirr. Der Anzug war früher einmal ein eleganter Gesellschaftsanzug gewesen, jetzt aber sah er abgeschabt und schäbig aus und war sogar an einigen Stellen zerrissen. Auch die Nähte der Stiefel waren aufgegangen. Die Fußbekleidung schien überhaut seit längerer Zeit weder Wichse noch Schmiere gekostet zu haben.
    Der Besitzer dieses Anzugs machte einen höchst verkommenen Eindruck. Wer ihn sah, hatte sofort das Gefühl, daß man sich vor ihm in acht zu nehmen habe. Er trug in der einen Hand ein in ein blaues Schnupftuch eingebundenes Päckchen und in der anderen einen fast übermäßig starken, knorrigen Knotenstock.
    Sein Gang war unsicher, ganz wie derjenige eines Menschen, welcher zu tief in das Glas geschaut hat, und wirklich bemerkte Ludwig sofort, daß der Mann von einer widerlichen Schnapsatmosphäre umgeben war.
    Der Strolch riß den schäbigen Filz vom Kopf, streckte die Hand aus und machte dabei ein möglichst jammervolles Gesicht.
    „Ein armer Reisender bittet um einen Zehrpfennig“, sagte er.
    Ludwig wäre lieber an ihm vorübergegangen, aber in einer jener plötzlichen und unbegreiflichen Regungen zog er seine Börse und gab ihm ein Fünfzigpfennigstück.
    Der Mann war höchst erstaunt über diese nach den gegebenen Verhältnissen hohe Gabe. Er schwenkte höchst ergeben den Hut und sagte:
    „Besten Dank, mein Herr! Ich sehe, daß Sie ein nobler Mann sind. Wohin wollen Sie? Vielleicht haben wir gleichen Weg. Ist dies der Fall, so können wir miteinander gehen.“
    Der König hielt diese Frechheit mehr für eine Lächerlichkeit. Er überflog die Gestalt des Mannes mit einem lächelnden Blick und antwortete:
    „Wohl weil dann zwei noble Herren zusammen sind?“
    „Ja.“
    Dieses Ja kam so überzeugungsvoll heraus, daß Ludwig lachen mußte.
    „Sie lachen? Wohl über mich?“
    „Über mich selbst jedenfalls nicht.“
    „Also doch über mich!“
    „Natürlich!“
    Der Mann hatte etwas an sich, was der König nicht definieren konnte, was ihn aber abhielt, ihn so zurückzuweisen, wie er es eigentlich verdient hätte und wie es von Ludwig auch gewiß in jedem andern Fall geschehen wäre. Es lag in seinem Gesicht, in seinem ganzen Wesen etwas Rätselhaftes, was den Menschenkenner aufforderte, es zu lösen und also bei diesem Mann zu bleiben, obgleich sein Anblick eigentlich abstoßend wirkte.
    „Lachen Sie nur“, sagte derselbe. „Sie haben jawohl jetzt eine Veranlassung dazu. Wenn Sie mich aber früher gesehen hätten, so würden Sie mehr Respekt vor mir haben.“
    „So!“ dehnte der König.
    „Ja, gewiß.“
    „Was sind Sie denn?“
    „Jetzt bin ich Privatsekretär.“
    „Das heißt, Schreiber?“
    „Ja, so sagt der gewöhnliche Mann. Aber wenn ich zum Beispiel irgendeinem Mann, der die Kunst des Schreibens nicht versteht, einen Brief verfasse, so bin ich Sekretär. Nicht?“
    „Ja.“
    „Und weil ich für Privatleute schreibe, so bin ich also Privatsekretär.“
    „Wenn Sie das in dieser Weise begründen, so muß ich Ihnen freilich recht geben. Wo wohnen Sie denn?“
    „Hm! Ich wohne nicht.“
    „Sie müssen doch ein Unterkommen haben.“
    „Ich habe augenblicklich weder ein Unter- noch ein Auskommen. Die fünfzig Pfennig, welche Sie mir gaben, sind mein ganzes Besitztum.“
    „Aber eine Heimat haben Sie doch!“
    „Was man einen Unterstützungswohnsitz nennt, hm, den habe ich nicht.“
    „Sie müssen doch auf irgendwelche Weise irgendwo gewohnt haben!“
    „Ich danke für diese irgendwelche Weise! Sie hat mir ganz und gar nicht gefallen.“
    „Nach dem Gesetz haben Sie Ihren Unterstützungswohnsitz da, wo Sie zum letzten Mal zwei Jahre lang gewohnt haben!“
    „Zwei Jahre lang habe ich

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