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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nach dem Puls zu fühlen. „Ja, es ist eine Ohnmacht. Ängstigen Sie sich nicht, sondern bringen Sie schnell kaltes Wasser herbei.“
    Hanna brachte das Gewünschte und befeuchtete Stirn und Wangen ihrer Mutter. Diese kam bald wieder zu sich.
    „Was ist mit mir? Was war es denn?“ fragte sie.
    „Du warst in eine Ohnmacht fallen.“
    „Nein, das war keine Ohnmachten. Ich bin niemals in einer Ohnmacht gewest. Jetzund war ich weg, weit fort, im Himmel droben. Da saß der Herrgott und neben ihm der gute König und viele tausend Engel standen umher. Und da kam die Himmelskönigin, legte mir die Hand auf den Kopf und sagte, ich sollt recht fleißig beten für meinen König und dem Herrgott täglich danken für die Gnad und Barmherzigkeit, die mir heut erwiesen worden ist. Darauf bin ich aufwacht und nun wiederum bei euch. Ich seh das viele Geldl daliegen. Das soll unser sein. Das Herz möcht mir springen vor Glück und Seligkeit. Dir nicht auch?“
    Hanna schlang die Arme um die auf dem Stuhl wie eine Verklärte sitzende Mutter, zog deren Kopf an ihre Brust und antwortete schluchzend:
    „Mutter, ich kann dir gar nicht sagen, wie mir's ist. Ich bin wie eine Selige des Himmels. Ja, wir wollen beten und danken, nicht nur dem Herrgott und dem König und dem Herrn Ludwig in Hohenwald, sondern auch diesem Herrn da, der uns die frohe Botschaft herbeibracht hat.“
    „Hast recht, hast recht. Er ist kommen wie ein Gottesbote. Darum müssen wir ihm auch dankbar sein.“
    Sie streckte ihm ihre Hände entgegen. Er drückte sie ihnen freundlich und unterbrach ihre Dankesworte durch die Bemerkung:
    „Jetzt müssen Sie mir vor allen Dingen quittieren, Frau Held, denn die Quittung wird zu den betreffenden Skripturen geheftet.“
    „Ja, quittieren möcht ich gar wohl, aber das geht ja nicht.“
    „Warum?“
    „Ich kann wohl ein wengerl lesen, schreiben aber nicht.“
    „So machen Sie ein Kreuz, und ich schreibe darunter, daß das Ihre Unterschrift sei.“
    „Na, ein Kreuzerl könnt ich schon machen, aber auch das geht nicht.“
    „Auch nicht? Aus welchem Grunde?“
    „Weil ich keine Tinten da in meiner Wirtschaften hab. Unsereins hat gar nix zu schreiben. Vor langer Zeit hab ich mir wohl mal für einen Pfennig Tinten kauft, aber die ist nun längst eintrocknet und wann ich auch ein Feuer anmachen wollt, um sie wiederum aufzukochen, so fehlt mir doch nachher die Schreibfedern!“
    „Nun, da kann ja geholfen werden. Ich trage stets eine Patentfeder bei mir, zu welcher man keine Tinte braucht. Man taucht sie nur ins Wasser. Und Wasser haben Sie doch wohl hier?“
    „So viel, wies nur haben wollen. Hanna, bring mal einen Eimer voll herbei!“
    „Danke, danke!“ lachte Ludwig. „Ein einziger Tropfen genügt vollständig.“
    Die Tochter brachte eine Tasse voll Wasser. Der König zog das Quittungsformular heraus, füllte es aus und schob es dann nebst der Feder der Frau hin.
    „So! Machen Sie Ihr Kreuz hierher“, forderte er sie auf, indem er ihr die betreffende Stelle mit dem Finger angab.
    „Das sollen 'S gleich hergeschrieben haben“, sagte sie. „Wie groß soll's denn sein, wie lang, breit und dick?“
    „Nur deutlich. Das genügt.“
    „Hanna, bring mal meine Gesangsbuchbrillen heraus und das Handtuchen, damit ich sie mir putzen kann!“
    Beides wurde gebracht. Die Brille war eine uralte, sogenannte Nasenquetsche. Sie wurde gehörig abgerieben, als ob sie jahrelang im tiefsten Schlamm gelegen hätte. Dann wurde sie auf die Nase gesetzt.
    Nun gab sich die gute Frau eine Positur, als ob sie die Aufgabe habe, ein unendlich schwieriges wissenschaftliches Problem zu lösen, stieß die Feder bis an die Hälfte des Halters in das Wasser, trocknete den letzteren mit der Schürze wieder ab und – tat einen so kräftigen Strich, daß sie mit der Feder durch das Papier fuhr und im Holz der Tischplatte steckenblieb.
    „O Jerum Je –!“ rief sie. „Das ist ein gar zu dünnes Papieren. Da bin ich ja gleich durchgerannt und die Federn steckt im Tisch. Was ist da zu machen?“
    Der König lachte fröhlich auf.
    „Ja, wenn Sie beim Schreiben so tun, als ob Sie mit dem Spaten ein Gartenbeet bearbeiten wollen, da fahren Sie freilich durch das Papier. Leise, viel leiser!“
    Er zog die Feder aus dem Tisch, prüfte sie, ob sie noch brauchbar sei, tauchte ein und gab sie ihr in die Hand.
    „Schön! Ich werd's ganz leise und sanftmütig machen. Es soll kein Loch mehr werden.“
    Ein Loch wurde es freilich nicht, aber sie setzte

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