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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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meiner einfachen Häuslichkeit kaum behagen mag. Aber hat der König uns mit einer solchen Gnade überschüttet, so hoffe ich, daß auch Sie eine kleine Nachsicht üben und meine Einladung nicht von sich weisen werden.“
    Er bat in so dringlichem, aufrichtigem Ton, daß der König, um ihn nicht zu betrüben, antwortete:
    „Nun, wenn Sie an den König appellieren, so darf ich Ihnen Ihre Bitte nicht abschlagen. Sie sei Ihnen also gewährt.“
    „Danke, danke von ganzem Herzen! Und nun entschuldigen Sie für einen Augenblick. Meine alte Wirtschafterin ist nicht sehr gut auf den Beinen. Wenn ich Sie nicht eine halbe Ewigkeiten warten lassen will, so muß ich schon selber mit zugreifen.“
    Die Wirtschafterin hatte sich nämlich, als das Gespräch begann, rücksichtsvoll entfernt. Als nun jetzt der Pfarrer zu ihr in die Küche trat und ihr mitteilte, was der fremde Herr für eine Neuigkeit gebracht habe, erfaßte sie ganz dasselbe Entzücken, welches auch er empfunden hatte und noch jetzt fühlte. Bei der Bemerkung, daß diesem Herrn nun ein Imbiß aufgetragen werden solle, kam sie ganz außer sich, und sie begann zu wirtschaften, daß es den Anschein hatte, als sollten einige Dutzend Gäste bedient werden.
    Das beschleunigte natürlich das Servieren keineswegs. Endlich aber war doch der Tisch gedeckt, und das Mahl begann.
    Nach den armen Verhältnissen des kleinen Städtchens und des pfarramtlichen Einkommens ging es hoch her. Es gab zweierlei Wurst, zweierlei Käse und zweierlei Wein, roten und weißen. Und als der König darauf bestand, daß die würdige Wirtschafterin sich zu ihnen setzen und an dem Mahl teilnehmen solle, da war die Freude groß. Das war ihr noch nicht passiert, neben einem Herrn zu sitzen, welcher die ungeheure Ehre hatte, den König von Angesicht zu Angesicht zu sehen und von ihm zum Boten, zum Überbringer der allerhöchsten Wohltaten ausersehen zu sein.
    Diese Gelegenheit, da den beiden Alten das Herz aufgegangen und infolgedessen die Zunge beweglich geworden war, benutzte Ludwig, sich noch näher nach den Personen und Verhältnissen der Familie Sandau zu erkundigen. Er vernahm nur Empfehlendes. Besonders ließ die Wirtschafterin es sich angelegen sein, die Frau Sandau nach ihrem Charakter und ihrer stillen, aber erfolgreichen Wirksamkeit auf das beste zu loben.
    Als sodann der Imbiß eingenommen war, zog Ludwig ein zweites Kuvert aus der Tasche und sagte:
    „Sie werden gern sehen wollen, wie die neue Kirche sich präsentieren wird. Ich bin in der Lage, es Ihnen zeigen zu können.“
    „Prächtig! Sie haben die Pläne mit?“
    „Ja. Ich werde Sie Ihnen vorlegen, wenn es Ihnen recht ist.“
    „Oh, ich bitte herzlichst darum! Aber – aber entschuldigen Sie! Ein Anderes ist mir ebenso wichtig, wenn nicht noch wichtiger!“
    „Was?“
    „Majestät haben Ihnen jedenfalls etwas Schriftliches an mich mitgegeben? Diese gnädige Zuschrift meines allerbesten Königs würde mich mit Glück und Stolz erfüllen.“
    „Eigentlich ja, hätten Sie einen Erlaß des allerhöchsten Privatamtes zu erhalten; aber da ich zu Ihnen komme, so hat man das unterlassen. Was ich sage, das hat dieselbe Geltung, als ob der König es selbst gesagt hätte.“
    „So, so! Ja, das glaube ich schon. Sie müssen ja eine Stellung bekleiden, welche Sie in die nächste Nähe des Königs bringt.“
    „Ja, ich bin stets bei ihm. Und nun sehen Sie!“
    Er schob die Teller zur Seite und legte ihm die Pläne vor. Er war aufgestanden und stellte sich hinter den Pfarrer, um ihm die einzelnen Zeichnungen zu erklären. Der kurzsichtige, hochwürdige Herr setzte seine Brille auf und folgte dem auf den Zeichnungen hin und her gehenden Finger des Monarchen mit großer Aufmerksamkeit.
    Zuletzt legte der letztere die Totalansicht der Kirche vor.
    „So wird sie aussehen, wenn sie fertig ist“, sagte er. „Gefällt sie Ihnen?“
    „Unvergleichlich, herrlich! Das Äußere ist einfach, aber würdevoll und erhaben. Der Turm ist ein architektonischer Finger, welcher mahnend empor zum Himmel zeigt. So soll und muß es sein. Aber Geld, Geld kostet dieser Bau, verehrter Herr!“
    „Nicht allzu viel!“
    „Darf ich da eine wißbegierige Frage aussprechen?“
    „Warum nicht? Im Preisausschreiben war angegeben, daß die Kosten bis sechzigtausend Mark betragen dürfen. Vielleicht wird es etwas mehr, da der König für ein gutes Altargemälde und sonstigen kirchlichen Schmuck besorgt sein will.“
    „Sech – zig – tausend – Mark!“

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