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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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rief der Pfarrer, indem er vom Stuhl aufsprang. „Das ist ja eine Summe, welche wir nun und nimmermehr –“
    Er kam nicht weiter. Da er vorhin beim Eintritt seines Gastes aus Höflichkeit die Brille abgenommen hatte, so war ihm bei seiner Kurzsichtigkeit das Gesicht des Monarchen nur undeutlich erschienen. Jetzt aber hatte er die Brille auf und stand nun so nahe vor Ludwig, daß er dessen Züge auf das deutlichste sehen konnte. Er hatte zwar den König noch nie, desto öfters aber dessen Bild gesehen. Einem gebildeten, studierten Mann konnte da kein Zweifel überkommen, zumal an der Wand ein wohlgetroffenes Bild Ludwigs hing.
    Er starrte, auf das höchste erschrocken den König an. Seine Lippen bebten. Er wollte sprechen, brachte aber nichts hervor.
    „Was ist Ihnen?“ fragte der König lächelnd. „Was haben Sie?“
    „Dieses – dieses – jenes – o mein Gott, ich weiß ja gar nicht, was ich sagen soll!“ stotterte der Pfarrer.
    „Sprechen Sie getrost!“
    „Dieses – dieses Bild dort!“ sagte er, indem er den Arm erhob, um nach dem Bild zu zeigen.
    „Ich kenne es. Es ist dasjenige des Königs.“
    „Ja – aber – aber – das Original, das Original!“
    „Nun, was ist's denn mit dem Originale?“
    „Es steht – es steht hier, hier vor mir! Oh, Majestät, Majestät!“
    Er wollte seine zitternden Knie beugen, doch Ludwig hielt ihn sogleich an den Armen fest.
    „Nicht doch! Wer wird knien wollen!“
    „Vor meinem König muß ich in die Knie sinken, erfüllt von Ehrfurcht und tiefster Dankbarkeit!“
    „Nein, stehen Sie, und lassen Sie mich Ihnen die Hand drücken. Sie sind, wie ich aus dem Resultat meiner Erkundigungen weiß, ein sorgsamer und treuer Arbeiter im Weinberg des Herrn. Ich drücke Ihnen mit Freuden die Hand und halte es für meine Pflicht, dafür zu sorgen, daß Sie an den Lasten des materiellen Lebens nicht mehr so schwer wie bisher zu tragen haben. Ich werde veranlassen, daß Sie nach einer besser dotierten Stelle versetzt werden.“
    „O nein, nein, nein!“ fiel da der Pfarrer erschrocken ein. „Das nicht, das nicht!“
    „Warum nicht?“
    „Weil mir diese arme Gemeinde so lieb, so teuer geworden ist, daß ich nicht von ihr scheiden möchte, außer der Herr holt mich durch den Tod von hinnen. An einem anderen Ort, und wäre er noch so reich bezahlt, würde ich eingehen.“
    „Das glaube ich Ihnen gern. Und so will ich besorgt sein, daß Sie hier keine Not zu leiden haben. Ihr Gehalt soll verdoppelt werden.“
    „Majestät!“
    „Still. Ich kann mir freilich denken, daß Ihre Bedürfnisse nicht in demselben Maße steigen werden. Sie haben einfach gelebt und werden diese Einfachheit wohl beibehalten; aber wenn Sie von jetzt an besser situiert sind, werden Sie mehr Gutes tun können. Was ich Ihnen gebe, das erhalten also eigentlich nicht Sie, sondern die Hilfsbedürftigen Ihrer armen Pfarrgemeinde.“
    „Königliche Majestät haben mich nicht verkannt. Und wenn Ihre Gnade sich über mich ergießt, so dürfen Hoheit überzeugt sein, daß ich mich nur als den Almosenier meines allergütigsten Herrschers betrachten werde.“
    „Gut, das ist es, was ich mir dachte und wovon ich auch fest überzeugt bin. Und nun will ich von Ihnen scheiden, um diesen jungen Baumeister aufzusuchen. Ich verweile jetzt in der Nähe und werde Sie wahrscheinlich recht bald wieder besuchen.“
    Ein lautes Schluchzen ließ sich hören. In der Ecke hinter dem Ofen saß die Haushälterin auf einem Schemel und weinte Freudentränen. Der König trat zu ihr hin und sagte in mildem Ton:
    „Beruhigen Sie sich, meine Liebe. Sie dürfen sich von mir nicht erschrecken lassen.“
    „Ach Gott“, stöhnte sie, „ich bin ganz, ganz außer mir!“
    „Sie haben keinen Grund dazu.“
    „O doch, doch, Majestät.“
    „Ich kenne keinen.“
    „Aber ich weiß ihn. Nein, nein, das werde ich nicht verwinden können.“
    „Was denn?“
    „Daß unser König bei uns – bei uns gegessen hat, und die Wurst – die Wurst – die Wurst war zu wenig gesalzen!“
    „Davon lassen Sie sich ja nicht anfechten!“
    „Ja, das ginge – das ginge wohl noch, aber im – im – im Käse dort waren – waren Maden.“
    „Davon weiß ich gar nichts!“ lächelte der Monarch.
    „Aber ich – ich hab's gesehen. Ich hatte ihn so gut ausgeputzt, und als Sie nachher davon nahmen, da waren sie, waren sie –“
    Sie konnte vor Erregung nicht weitersprechen.
    „Nun, was waren sie denn?“
    „Inwendig, inwendig

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