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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und, anstatt Geld zu finden, die Worte des Alten las und das leere Papier sah!
    Der Sepp legte die weißen Blätter zusammen und legte sie in das neu beschriebene Kuvert, so daß seine Worte, wenn man es öffnete, sofort in die Augen fallen mußten.
    „So“, sagte er. „Nun machen 'S noch fünf schöne Siegeln drauf und drücken 'S ihr Petschaften darüber. Dann schaut's ganz genau so aus, als ob das Geld darinnen sei.“
    Auch das geschah. Der Pfarrer steckte das eigentliche Wertkuvert zu sich und fragte:
    „Jetzt habe ich deinen Rat befolgt. Was tun wir nun? Ich werde mich ganz auf euch verlassen.“
    „Das können 'S getrost. Sagen 'S uns erst, wie ein Einbrecher am besten ins Haus kommen kann!“
    „Oh, er braucht nur über die niedrige Mauer in den Hof zu steigen.“
    „Ist kein Hund da, welcher Lärm machen kann?“
    „Nein. Ich habe, da ich kein reicher Mann bin, alle Sicherheitsmaßregeln für überflüssig gehalten.“
    „Ganz recht. Und die Leutln, welche hier wohnen, sind ehrlich. Ihren Pfarrer bestehlen sie nicht.“
    „Ich hoffe zu Gott, daß der Samiel kein Glied meiner armen, ehrlichen Gemeinde sei.“
    „Nein. Der steckt wo ganz anders.“
    „Ahnst du das?“
    „Ja, Herr Pfarrer!“
    „Hast du einen Grund dazu?“
    „Ja. Weil wir den Samiel heut abend drüben bei Kapellendorf getroffen haben, und er wollt doch hier einsteigen, so ist's halt sehr leicht zu denken, daß er nicht von hier sein kann.“
    „Da hast du recht. Das erleichtert mein Herz!“
    „Aber wie kommt er denn aus dem Hof, wenn er über die Mauer stiegen ist, ins Haus hinein?“
    „Ganz einfach durch die Hintertür.“
    „Hat die kein Schloß von innen?“
    „Nein, nur einen Drücker, welcher auch von außen bewegt werden kann. Man ist eben hier nicht auf Diebe eingerichtet.“
    „So braucht er dann nur in aller Gemütlichkeiten die Treppe emporzusteigen?“
    „Ja. Die Tür meiner Studierstube habe ich nie verschlossen. Heut aber werde ich es tun.“
    „Warum?“
    „Nun, damit er nicht hinein kann.“
    „Das ist falsch.“
    „Ich denke grad, daß er da vielleicht umkehrt.“
    „O nein. Der geht gewiß nicht eher wieder fort, als bis er meint, das Geldl zu haben.“
    „So soll ich die Studierstube auflassen?“
    „Ja. Ich denk nämlich, es ist besser, wann man ihm die Sach so leicht wie möglich macht.“
    „Das meine ich auch“, stimmte Fritz bei. „Macht man es ihm schwer, so zwingt man ihn, Gewalt anzuwenden, und dann kann es freilich leicht kommen, daß er auch seine Waffen gebraucht.“
    „Mein Gott!“ seufzte der Pfarrer. „Nur keine Waffen! Lieber will ich alles auflassen!“
    „So ist's richtig, hochwürdiger Herr! Ich bin der Wurzelsepp und werd Ihnen keinen schlechten Rat geben. Jetzt gehen wir zu Bett.“
    Er stand von seinem Stuhl auf.
    „Wie?“ fragte der Pastor ganz betreten. „Du willst dich wirklich zur Ruhe legen?“
    „Fallt mir gar nicht ein! Ich hab nur meint, daß wir nun hinauf in Ihre Schlafstub gehen.“
    „Ach so! Ihr bleibt natürlich bei mir!“
    „Ja.“
    „Und die aus der Studier- nach der Schlafstube führende Tür schließen wir natürlich zu?“
    „Ich möcht das lieber nicht!“
    „Warum?“
    „Ich möcht die beiden Kerls gern beobachten.“
    „Das kannst du ohnedies. Neben der Tür ist ein kleines Fensterchen, an welchem ein durchsichtiger Tüllvorhang ist. Durch denselben kann man sehr leicht sehen.“
    „Schön! So schließen wir zu! Gehen die Türen leicht auf?“
    „Ein kleines Geräusch macht jede.“
    „Das ist gut. Da hören wir die Kerls vielleichten kommen. Gehen wir also! Aber vorsichtig! Ich wette, die beiden stehen schon draußen und lauern. Sie werden denken: Jetzund geht der geistliche Herr zu Bett. Wir lassen ihn einschlafen, und sodann holen wir uns das Geldl. Prosit die Mahlzeit.“
    Er griff nach der Lampe.
    „Wollen wir die denn mitnehmen?“ fragte der Pfarrer.
    „Ja. Damit sie sehen, daß Sie zu Bett gehen.“
    „Die Lampe macht's zu hell. Ich habe Kerzen, von denen wir lieber eine nehmen wollen.“
    „Gut, das ist besser. Wir beiden, nämlich der Fritz und ich, müssen uns überhaupt in acht nehmen, damit wir nicht von unten sehen werden.“
    Die Lampe wurde ausgelöscht und das Licht angebrannt. Dann gingen die drei nach der Studierstube hinauf. Dort hielten sich die beiden so, daß weder ihre Gestalten, noch ihre Schatten von unten gesehen werden konnten. Der Pfarrer legte das Vexierkuvert in die Bibel, und dann traten alle

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