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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Hiesiger?“
    „Nein. Er stammt aus Bayern.“
    „Und wie heißt er?“
    „Criquolini. Er nennt sich so, obgleich er jedenfalls einen guten bayrischen Namen hat. Der ist ein richtiger Lodrian. Lassen Sie sich ja nicht, falls er Sie kennenlernt, von ihm vertraulich als Kollegin behandeln! Das wäre keine Ehre, sondern eine Schande für Sie.“
    Leni fuhr sich mit der Hand nach dem Herzen. Sie fühlte einen tiefen, schmerzlichen Stich in demselben. Also so weit war es mit dem Krickel-Anton gekommen. Die Kunst wurde ihm ebenso verhängnisvoll wie früher der Jagdstutzen. Um ihre Betrübnis nicht merken zu lassen, bat sie:
    „Bitte, dürfte ich vielleicht nun die Zimmer ansehen?“
    „Ja, kommen Sie!“
    Die Halbetage war wirklich höchst wohnlich eingerichtet. Indem sie aus einem Raum in den anderen gingen, hörten sie, daß ein Wagen unten hielt. Die Wirtin trat an das Fenster und blickte hinab.
    „Da, kommen Sie her, liebes Kind“, sagte sie. „Sehen Sie diese Equipage. Sie gehört dem Grafen von Senftenberg, einem sehr reichen und feinen Kavalier. Der eine, welcher bei ihm sitzt, nennt sich Baron Egon von Stubbenau und behauptet, große Güter zu besitzen. Der andere ist der Sänger, von welchem ich sprach, der Criquolini. Sehen Sie sich ihn einmal an. Ist er nicht bereits am Vormittag betrunken?“
    Leni schaute hinab. Es wurde ihr, als sie den einstigen Geliebten erblickte, unendlich weh zumute. Sie liebte ihn ja noch immer, obgleich sie es sich selbst nicht eingestand. Um nur etwas zu sagen, fragte sie:
    „Ist denn der Baron ein braver Mann?“
    „Ich bin von dem Gegenteil überzeugt. Wenigstens glaubt ihm keiner, was er sagt.“
    „Aber warum verkehrt da der Graf, da Sie ihn einen so feinen Kavalier nennen, mit diesen beiden?“
    Dabei war ihr Auge forschend auf die männlich schönen, vornehmen Züge des Grafen gerichtet.
    „Das fragen Sie, weil Sie die Sitten und Gewohnheiten der höheren Kreise nicht kennen. Dort gibt es oft Rücksicht zu nehmen, wenn man lieber dreinschlagen möchte. Der Sänger wird, weil man ihn zu den Künstlern zählt, mit zugelassen. Ihm sieht man vieles nach, denn Künstler sind leichtlebige Leute, welche man entschuldigt, während man andere verdammen würde. Der Baron ist eben so lange Baron, bis man ihm beweisen kann, daß er es nicht ist. Er ist dem Grafen vorgestellt worden und muß freundlich mit ihm sein, um nicht den zu beleidigen, welcher ihm den Baron vorgestellt hat. Sie sehen ja auch seiner Miene an, daß er nur von oben auf die anderen schaut, obgleich er freundlich mit ihnen ist. Er hat den Sänger in den Wagen genommen, weil derselbe vor Betrunkenheit nicht laufen kann. Im Herzen verachtet er ihn. Bitte, gehen wir weiter.“
    Als sie alle Räume betrachtet hatten, erklärte Leni, dieselben mieten zu wollen, und bezahlte den Preis pränumerando. Die beiden Damen unterhielten sich noch eine Weile in herzlichster Weise, und dann sagte Leni, daß sie nun nach dem Hotel gehen wolle, um ihre Effekten herbeischaffen zu lassen.
    „Nein, Kind“, antwortete die Wirtin. „Sie brauchen sich gar nicht zu bemühen. Haben Sie dort zu zahlen?“
    „Ja. Die Rechnung ist noch unberichtigt.“
    „Trotzdem ist Ihre Gegenwart nicht nötig. Ich werde meine Martha senden. Die Wirtin kennt mich und nimmt es Ihnen nicht übel, wenn Sie nicht selbst kommen. Sie sind doch ganz allein hier?“
    „Ich habe niemand bei mir.“
    „Sie wollen mir verzeihen. Ich dachte daran, daß alleinstehende Künstlerinnen gewöhnlich eine sogenannte Duenna, eine Ehrendame, bei sich haben.“
    „Auch ich habe eine, eine sehr liebe Frau. Sie ist bei mir gewesen, seit der König mich ihr anvertraut hat. Aber sie ist so stark geworden, daß sie nicht mehr laufen kann. Dennoch wollte sie bei mir bleiben. Sie sagte, sie gräme sich zu Tode, wenn ich eine andere engagiere. Da bin ich, um sie nicht zu betrüben, allein nach Wien gegangen, und habe sie, trotzdem die Saison noch nicht da ist, nach Karlsbad in die Kur geschickt.“
    Das war die dicke Gesangslehrerin Madame Qualèche, welche damals den Bewohnern der Talmühle so viel zu schaffen gemacht hatte.
    Nachdem sie sich noch eine geraume Weile unterhalten hatten, erhielt das Stubenmädchen den Auftrag, nach dem Hotel zu gehen. Sie war kaum zur Vorsaaltür hinaus, so hörte man sie um Hilfe rufen. Die Wirtin eilte hinaus. Leni mit ihr.
    Beide sahen die Gruppe unten im Hausflur. Martha rang mit dem Sänger. Die Wirtin eilte ihr zu Hilfe. Leni aber

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