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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sich sogleich im stillen:
    „Das ist eine Brave, der kann man vertrauen; die könntest du recht liebhaben.“
    Laut aber bat sie: „Warum haben Sie sich nicht gesetzt? Bitte, nehmen Sie Platz!“
    „Dann vielleicht, wenn Sie meine Frage vernommen haben. Ich brauche eine Wohnung. Da ich hier gänzlich unbekannt bin und den Annoncen kein Vertrauen entgegenbringen kann, wendete ich mich an die Wirtin des Hotels de l'Europe, wo ich logierte. Sie hat mir Ihren Namen genannt und mir versichert, daß Sie eine Wohnung frei hätten und daß ich mich getrost unter Ihren Schutz begeben könnte.“
    Die Wirtin fühlte sich von der Stimme und den Worten der Fremden angenehm berührt. Sie antwortete:
    „Aus ganz dem Grund, welchen Sie nennen, annonciere ich nie. Daß die Wirtin Sie an mich gewiesen hat, ist eine Empfehlung für Sie an mich. Ja, ich habe eine Wohnung frei; aber ich fürchte, daß sie Ihnen zu groß sein wird. Bis vor kurzem gehörte sie einer Witwe, welche mit zwei Töchtern den Tod ihres Mannes betrauerte. Es ist die halbe erste Etage, vier Zimmer groß, also für eine einzelne Person zuviel.“
    „Für mich nicht. Gerade diese Räume habe ich mir gewünscht.“
    Die Wirtin ließ einen freundlich-prüfenden Blick über die Gestalt der Fremden gleiten.
    „Bedenken Sie auch, wie teuer eine solche fein möblierte Wohnung hier in Wien ist?“
    Eine leise Röte verschönte das Gesicht der Fremden. Sie antwortete lächelnd:
    „Ich besitze die Mittel dazu und bin keine säumige Zahlerin.“
    „Dann werde ich Sie ersuchen, die Räume sich einmal anzusehen.“
    Sie wollte sich zum Gehen wenden, aber die Fremde legte ihr, sie zurückhaltend, das kleine Händchen leise auf den Arm.
    „Bitte, ehe ich sie bemühe, möchte ich erst gewiß sein, ob Sie mir das Logis auch überlassen würden, wenn es mir gefällt.“
    „Was sollte mich daran hindern?“
    „Mein – Stand.“
    „So! Nun, welchem Stande gehören Sie an?“
    „Ich bin Sängerin.“
    Die Wirtin fuhr unwillkürlich um einen Schritt zurück und rief ganz absichtslos ein halblautes:
    „O weh!“
    „Sehen Sie!“ sagte die Fremde. „Sie erschrecken.“
    Das gute Herz machte der Wirtin Vorwürfe. Sie antwortete schnell:
    „Verzeihung! Das ist mir nur so entwischt. Ihr Stand besitzt allerdings Angehörige, denen man am liebsten fernbleibt.“
    „Leider weiß ich das!“
    „Aber das sollte keineswegs Ihnen gelten. Sie sehen mir nicht wie eine Wiener Sängerin aus, die keine Note kennt und Gott weiß wovon lebt.“
    „Nein, das bin ich nicht. Ich habe die Überzeugung, daß Sie sich niemals über mich beklagen würden.“
    „Das traue ich Ihnen gern zu. Sie heißen Lena Ubertinka. Sind Sie eine Ausländerin?“
    „Nein. Ich habe meinem deutschen Namen einen fremdländischen Klang gegeben.“
    „Kindchen, das liebe ich nicht.“
    „Auch ich bin eigentlich gegen solche Pseudonyme; aber ich habe eine persönliche Veranlassung, mich so zu nennen. Ich bin eine Bayerin, heiße eigentlich Magdalena Berghuber und wurde, weil ich in der Nähe einer sogenannten Mure erzogen wurde, nur stets die Muren-Leni genannt. Ich war eine Sennerin, ein dummes, stilles Ding. Da kam der gute König von Bayern, hörte mich jodeln und nahm mich von der Alp weg. Ich mußte Sängerin werden; er hat alles bezahlt und bezahlt auch jetzt noch alles.“
    „Der König von Bayern? Ah, das ist ja etwas ganz anderes! Aber warum sind Sie nach Wien gekommen?“
    „Es gibt hier einen gar berühmten Gesangslehrer, bei dem ich noch für einen oder zwei Monate Unterricht nehmen möchte.“
    „Das läßt sich hören. Haben Sie vielleicht Familie?“
    „Nein, ich bin ein Waisendirndl.“
    „Aber anderen Anhang? Einen – Schatz?“
    „Auch nicht. Ich wünsche weiter nichts, als bei Ihnen wohnen und auch essen zu dürfen. Ich gehe täglich auf eine Stunde zum Professor in den Unterricht und die übrige Zeit möcht ich so gern, daß Sie sich meiner mit annehmen, da ich so gar niemanden hier in der großen Stadt hab.“
    Das klang so rührend, daß Frau Salzmann das Herz überlief.
    „Kind“, sagte sie fast zärtlich, „wenn Ihnen mein Logis gefällt, sollen Sie es haben, und ich will für Sie sorgen, als ob ich Ihre Mutter wäre. Sie dürfen mir meine Bedenken, welche ich vorhin äußerte, nicht übelnehmen. Ich habe die Unvorsichtigkeit begangen, das halbe Parterre an einen Sänger zu vermieten, an welchem ich leider sehr schlimme Erfahrungen mache.“
    „Ist er ein

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