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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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so soll man auch sehr brav zahlen. Sind Sie gegen ein bestimmtes Honorar engagiert?“
    „Ja. Wir sind während der Saison sehr oft hier und wissen, was wir für den Abend erhalten.“
    „So hat der famose Herr Kommerzienrat die Dummheit begangen, mich nicht nach der Höhe des Honorars zu fragen. Da er uns zu den ‚Musikanten‘ zählt, werde ich ein echt amerikanisches Honorar verlangen.“
    „Wieviel?“
    „Das ist noch unbestimmt. Ich kam in der Absicht, eine ganze Reihe von Liedern vorzutragen; nun aber werde ich nur zwei singen. Wer hat mich zu begleiten?“
    „Ich“, antwortete der Pianist.
    „So werde ich Ihnen die Noten holen, welche in meinem Überrock stecken. Es ist ein Trinklied, gedichtet von Emil Ritterhaus, und was ich dann noch für eins wählen werde, weiß ich noch nicht.“
    Er kehrte zur Herrengarderobe zurück. Wäre er nur einige Augenblicke früher gekommen, so hätte er die Ubertinka an der Seite der Frau Salzmann in den Salon treten sehen.
    Hatten die Anwesenden erwartet, die Sängerin in großer Gesellschaftstoilette zu sehen, so waren sie im Irrtum gewesen. Sie trug ein einfaches, schwarzseidenes Kleid, und eine rote Rose in dem prachtvollen dunklen Haar war ihr einziger Schmuck. Während alle anwesenden Damen tief ausgeschnitten gingen und auch die Arme ganz entblößt trugen, schloß ihr Kleid sich eng um den Hals, und die Ärmel desselben reichten bis über den Ellbogen. Der Vorderarm stak in Handschuhen.
    So stach sie außerordentlich gegen die strahlende Umgebung ab. Aber jeder und jede sagte sich sofort beim ersten Blick, daß diese Mädchen eine seltene, ausgezeichnete Schönheit sei.
    Die Kommerzienrätin eilte ihr entgegen und stellte sie den Anwesenden vor. Binnen wenigen Augenblicken hatte sich ein Kreis um die reizende Künstlerin gebildet. Viele Augen suchten nach dem Hauptmann, um sich an seiner Überraschung, sie hier unerwartet zu sehen, zu weiden. Er war nicht im Salon, sondern er befand sich mit dem Grafen von Senftenberg im Rauchzimmer.
    Der Kommerzienrat suchte sie auf, um sie zu benachrichtigen. Beide kamen herbei, voran der Hauptmann, der Graf hinter ihm.
    „Signora“, sagte die Kommerzienrätin zu Leni, „ich habe Ihnen noch zwei Herren vorzustellen, die bisher nicht anwesend waren. Bitte!“
    Der Kreis öffnete sich. Lenis Auge fiel auf den Hauptmann. Eine außerordentliche Überraschung malte sich in ihren Zügen. Sie war für einige Augenblicke bewegungslos.
    „Ist's möglich! Ist's wahr?“ rief sie, ganz vergessend, daß sie nicht allein war. „Ist's der Sepp oder ist er's nicht.“
    „Ja freilich bin ich's“, antwortete er. „Oder willst mich nicht mehr kennen, Dirndl?“
    „Ja, ja, das ist er! Sepp, mein alter, lieber, guter Sepp! Was ist das für eine Freuden, dich hier zu sehen! Komm her, ich muß dir gleich ein Busserl geben!“
    Sie flog auf ihn zu, schlang die Arme um ihn und küßte ihn herzhaft auf den Mund. Er drückte sie in tiefer Rührung an sich und flüsterte ihr dabei zu:
    „Dirndl, mach kein dummes Geschwätz! Ich bin hier der Hauptmann Josef von Brendel aus Bayern. Verstanden?“
    „Warum?“ fragte sie verwundert.
    „Darum! Mehr brauchst nicht zu wissen. Jetzt schau dir auch meinen jungen Freund an, den ich kennengelernt habe, den Grafen Senftenberg. Da ist er.“
    Der Graf war, als er Leni erblickte, vor Erstaunen unter der Tür stehengeblieben. Das war ja die schöne Älplerin! Sie und die berühmte Sängerin eine Person! Welch eine Überraschung! Da war ja mit einem Mal das Rätsel gelöst!
    Jetzt brachte der Hauptmann sie ihm zugeführt. Sie lächelte ihm neckisch entgegen, reichte ihm die Hand und sagte:
    „Ersparen wir uns die Verbeugungen, gnädiger Herr! Meinem Beschützer muß ich die Hand geben. Sie haben es verdient!“
    Er zog die Hand an seine Lippen und antwortete, indem seine Augen glücklich strahlten:
    „Darum also! Darum sprachen sie davon, daß wir uns bereits heute sehen würden. Wußten Sie, daß ich geladen war?“
    „Die Frau Kommerzienrätin hatte es mir mitgeteilt.“
    „Und dann das andere? Was war mit dem Abendregen gemeint?“
    „Das hier. Ich hörte, daß sie das Piano lieben. Würden Sie mich zu zwei Liedern begleiten, gnädiger Herr?“
    Sie zog zwei kleine, zusammengefaltete Notenblätter aus der Tasche.
    „Mit Stolz und Vergnügen“, antwortete er, ganz beseligt durch diese Bevorzugung.
    Er schlug die Blätter auseinander und fuhr fort, Noten und Text betrachtend:
    „Zwei Gedichte von

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