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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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das Erscheinen der Sängerin gespannt. Jeder hatte etwas von ihr gehört, ohne aber etwas Bestimmtes über sie erfahren zu haben. Der Bankier teilte den einzelnen Personen heimlich mit, daß der Hauptmann von Brendel der Pate und Pflegevater der Ubertinka sei und daß derselbe ein horrendes Vermögen besitzen müsse, da er Veranlassung erhalten habe, ihm einen unbeschränkten Kredit zu eröffnen, ein Fall, der ihm in seiner langen Geschäftspraxis noch nie vorgekommen sei.
    Durch diese vertrauliche Mitteilung wurde der Alte mit einem Mal der Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit; er bemerkte das sehr wohl, tat aber, als ob er es gar nicht beachte.
    Es war zu Ende der Wintersaison, in welcher Gesellschaften, Bälle und Maskeraden an der Regel sind. Bei solchen Gelegenheiten entfaltet die Wiener Welt eine außerordentliche Toilettenpracht. Auch die anwesenden Damen zeichneten sich sämtlich durch einen ungemeinen Reichtum der äußeren Erscheinung aus. Samt und Seide, Diamanten und Perlen rauschten und flimmerten um die Wette, und die Freiheit des Kleiderschnitts, welche die Wienerin so sehr liebt, ließ die Schönheit der Formen und die sonst so sorgsam behüteten Reize zur vollen, offenen Geltung kommen.
    Auch der Agent Goldmann war da. Er hatte zu seiner Genugtuung seinen Zweck, eine Einladung zu erhalten, erreicht. Kaum vernahm er, in welch intimen Verhältnis der Hauptmann zu der Sängerin stehe, so ließ er sich ihm vorstellen. Er gab sich alle Mühe, einen vorteilhaften Eindruck auf ihn zu machen und etwas Näheres über die hochinteressante Dame zu erfahren, war jedoch nicht glücklich dabei, denn der alte Herr ließ sich nicht ausfragen.
    Der einstige Krickel-Anton kam noch eher als seine vormalige Geliebte. Er war ganz in der Meinung, zu den Geladenen zu gehören. Er gab in der Garderobe seinen Hut und Überrock ab, betrachtete sich noch einmal im Spiegel, ob seine Frisur in Ordnung sei und schritt dann dem weit offenen Eingang des Saales zu. Dort stand ein Diener, um jeden Eintretenden zu melden. Er kannte den Sänger nicht.
    „Bitte, Ihren Namen!“ sagte er darum.
    „Criquolini, Signor Criquolini.“
    „Ach so! Bitte, treten Sie hier herein!“
    Er schritt ihm längs des Korridors voran und öffnete dort eine Tür. Der Sänger schaute hinein. Da saßen drei Violinisten, ein vierter mit einem Cello und noch zwei weitere Personen mit Flöte und Klarinette. Abseits von diesen standen zwei Herren, deren ganzer Habitus verriet, daß sie Künstler seien. Der eine war Pianist und der andere Violinvirtuose. Sein Instrument lag in einem eleganten Kasten in seiner Nähe.
    „Was ist das? Hier herein soll ich?“ fragte der Sänger.
    „Ja, bitte!“ antwortete der Lakai. „Meine Herren, hier ist Signor Criquolini, welchen Sie erwartet haben.“
    Die Anwesenden verbeugten sich; er aber erwiderte diesen Gruß nicht sofort, sondern sagte in zornigem Ton zum Lakaien:
    „Das ist doch wohl nicht der Salon?“
    „O nein, Signor.“
    „Nun, ich gehöre doch wohl in den Salon?“
    „Verzeihung! Der Herr Baron haben mir befohlen, Sie hierher zu führen. Hier pflegen die Herren Musici sich aufzuhalten.“
    „Donnerwetter! Bin ich ein Musikus?“
    „Ich glaube, daß der Gesang auch Musik ist.“
    „Aber ein Sänger ist kein Bierfiedler!“
    „Oh, diese Herren sind auch keine Bierfiedler.“
    „Mensch, werden Sie nicht impertinent! Ich habe gehört, daß Signora Ubertinka auch geladen ist?“
    „Ja, sie ist geladen.“
    „Bringen sie diese Dame auch hierher?“
    „Nein, denn sie ist, wie eben erwähnt, geladen; Sie aber sind engagiert. Hier auf dieser Tafel ist ihr Souper aufgetragen. Wein ist da. Wenn Sie einen Wunsch haben, so brauchen Sie nur die Glocke zu ziehen. Und dort die Tür führt nach dem Musiksalon. Wenn man Sie dort braucht, wird man es Ihnen sagen.“
    Er ging.
    Criquolini stand noch an der Tür, unentschlossen, ob er bleiben oder lieber gleich wieder gehen solle. Sein Künstlerstolz war auf das gröbste beleidigt worden. Er sah das Lächeln, mit welchem die Anwesenden auf ihn blickten. Das erhöhte seinen Zorn.
    „Meine Herren“, sagte er, „lassen Sie sich denn so etwas gefallen?“
    Der Violinvirtuose zuckte die Achseln und antwortete:
    „Was sollen wir anders tun? Man bezahlt uns ja; darum rechnet man uns nicht zu den Gästen.“
    „Ach! Man bezahlt uns! Ich habe geglaubt, mich gratis hören lassen zu sollen. Nun erst verstehe ich diesen baronisierten Juden. Man bezahlt uns also! Gut,

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