71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil
doch! Die beiden Nullen haben doch nix dabei zu bedeuten.“
„Wie meinst das?“
„Wannst mich jetzunder nicht verstehst, so wirst's nachher begreifen.“
„Und wo wohnt denn der Samiel? Das mußt doch auch wissen!“
„Natürlich weiß ich es, und zwar ganz genau. Er wohnt in Kronsdorf.“
„Kronsdorf? Das kenn ich doch gar nicht.“
„Bist noch nicht dort west? Sollt mich gar sehr wundern. Es ist ein allbekannter Ort.“
„Ich hab noch nix davon hört. Was ist er denn, der Samiel?“
„Räuber ist er.“
„Geh, Sepp! Das weiß man ja. Aber er muß ja einen Stand haben; er muß einen Beruf treiben.“
„Das tut er schon; aber du fragst mich zu viel. Du kannst dir natürlich denken, daß ich nicht alle meine Geheimnissen so ausplaudern darf.“
„Da hast recht. So ein Mann wie du, der es gar mit dem Samielen aufnehmen will, der muß fein verschwiegen sein.“
„Freilich. So, wie der Graf darf man es nicht machen. Der sagt ganz öffentlich, was er vorhat. Wann man das tut, muß man gewärtig sein, daß der Samiel mit dabei sitzt und alles hört. Nachher ist's auch kein Wunder, wenn der Graf fangen wird, anstatt der Samiel.“
„Dieser Ansicht bin ich auch west, und darum hab ich die Wette mitmacht.“
„Und nun hast sie schon gewonnen. Du bist ein Glückskind, Bäuerin. Ich möcht nicht an deiner Stellen sein.“
„Nicht? Warum nicht?“
„Weil es mir immer unheimlich wird, wann einer gar ein zu großes Glück hat. Gewöhnlich bricht's dann mal ganz plötzlich zusammen.“
„Was sollt bei der Kronenbäuerin zusammenbrechen?“
„Hast recht. Der Kronenhof ist ein gar festes Gebäuden, den kann dir niemand einreißen. Nimm dich nur in acht, daß dir der Samiel nicht mal hineingerät.“
„Da brauchst keine Sorg zu habe. Der soll mir nicht kommen.“
„Meinst nicht? Er kann mal im Kronenhof sein, bevor man's denkt.“
„Das fallt ihm sicherlich gar nicht ein. Mußt doch bedenken, daß der Offizier bei uns wohnen tut!“
„Vor dem furcht er sich nicht, das hat er bereits bewiesen. Ein Glück für den Grafen ist's, daß der Samiel so ein gutes Gemüt hat. Er hat ihm nur einen kleinen Klaps geben auf den Kopf. Wie leicht hätte er ihn töten könnt.“
„Der Samiel und – ein gutes Gemüt! Ein Räuber! Sepp, mach dich doch da nicht lächerlich!“
„Das ist nicht lächerlich. Wenn der Samiel denjenigen, der sein ärgster Feind ist und ihn fangen will, so schonen tut, so ist das ein Beweis, daß er ein gutes Herz hat. So ein Gemüt findet man sonst nur bei einem Frauenzimmer. Man könnt da ganz irr an ihm werden. Ich werd ihm das vergelten.“
„Du? Wieso?“
„Ich werd, wann ich ihn fang, ihn gradso behandeln, als ob er ein Frauenzimmer wär. Aber jetzund wollen wir unsere schöne Zeit nicht verschwatzen. Ich bin müd und möcht schlafen gehen. Erlaubst doch, Bäuerin, daß ich auf den Kronenhof bleib?“
„Freilich! Bist den ganzen Nachmittag da gewest, kannst auch hier schlafen.“
„Aber wo?“
„Wie es dir gefallt. Im Bett oder auch auf dem Heu.“
Da meinte Fritz, der Knecht:
„Kannst auch bei mir bleiben, Sepp. Der Bastian schlaft stets im Stall. Da ist sein Bett immer frei, welches mit in meiner Kammer steht.“
„Gut, das ist mir recht. Kann ich da gleich schlafen gehen?“
„Sehr gern. Ich geh auch mit. Oder hast noch einen Befehl für mich, Bäuerin?“
„Nein.“
„So schlaf wohl! Morgen ist Montagen. Da muß man zeitig ausi aus dem Schlaf. Darum leg ich mich jetzt bald aufs Ohr.“ Er ging mit dem Sepp fort, über den Hof hinüber, wo eine Treppe hoch seine Kammer lag. Vorher aber traten die beiden in den Stall. Dort brannte eine Laterne, bei deren Schein sie den Blödsinnigen auf der Streu liegen sahen. Er tat, als ob er schlief.
„Bastian, schläfst bereits?“ fragte Fritz. Der Knecht antwortete nicht.
„Bastian!“
Er stieß ihn leise an, doch regte sich der Gestoßene nicht.
„Laß ihn“, meinte der Sepp. „Was willst den armen Kerl aus dem Schlaf aufiwecken?“
„Er soll die Latern auslöschen.“
„Das kannst ja an seiner Stell auch tun.“
„Ja; aber dann merkt er es nicht und läßt sie ein anderes Mal wieder über die Nacht brennen. Wie bald ist da ein Unglücken schehen.“
„Ja, besonders bei so einem, der nicht richtig im Kopf ist.“
„Das ist's ja eben, weshalb ich mich sorgen tu. Wann die Bäuerin sehen tut, daß noch Licht im Stall ist und er schläft dabei, so könnt's ihm schlecht ergehen.“
„Ist sie
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