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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mit.
    „Bleib nur da!“ sagte der Sepp. „Kannst uns doch nix nützen. Es ist der Graf.“
    Sie sah ihn groß an.
    „Der? Warum meinst das?“
    „Weilst hast deine Wette gewinnen wollen.“
    „Ich versteh dich nicht.“
    „Nun, der Samiel wird ihn haben fangennommen.“
    „Sepp, wie kannst du das wissen?“
    Er machte seine unbefangenste Miene und antwortete:
    „Wissen kann ich es nicht, aber erraten möcht ich es. Wer Unglück haben will, der muß mit einem Frauenzimmer wetten. Da verliert er sicherlich.“
    Er schloß sich den Davoneilenden an. Die Bäuerin aber stand an der Haustür und blickte und horchte ihnen nach.
    „Was war das?“ fragte sie sich. „Ist's wirklich nur eine bloße Vermutung oder – oder beginnt der alte Schlaukopf, mir in die Karten zu schauen? Ich muß ihn mehr beobachten als bisher, wenn er da ist.“
    Die Retter liefen natürlich so schnell wie möglich. Je näher sie der Stelle kamen, desto deutlicher wurde das Rufen.
    „Wir kommen; wir kommen!“ antwortete Sepp. „Nur still!“
    Alle waren höchst gespannt, zu erfahren, wer es sei und was ihm widerfahren sei. Wie erstaunten sie, als sie in dem an den Baum gefesselten den Grafen erkannten. Sepp las den Zettel, der ihm angeheftet war.
    „Himmelsackerment!“ sagte er. „Das ist doppeltes Pech! Herr Oberleutnant, wie sind 'S denn eigentlich da an den Baum kommen?“
    „Davon später!“ knirschte der vor Wut und Aufregung bebende Offizier.
    „War's wirklich der Samiel?“
    „Ja.“
    „Warum haben's nicht schossen?“
    „Ich hab geschossen; aber nichts ging los. Ich kann das nicht begreifen.“
    „Nun ist auch die Wette verloren!“
    „Und alles fort, alles, Ringe, die Uhr, die Brieftasche! Ich bin vollständig ausgeraubt. Das ist eine schöne Bescherung. Doch zum Erzählen ist keine Zeit. Ich habe einen Hieb auf den Kopf bekommen. Ich weiß nicht, ob ich heut dienstfähig bleiben werde. Will mich jemand nach dem Forsthaus führen? Da ist das Renkontre. Es muß sofort eine großartige Suche durch den Wald veranstaltet werden. Die Einwohnerschaft sämtlicher umherliegender Dörfer hat sich daran zu beteiligen. Alle Hunde sind mitzubringen und –“
    „Und alle Katzen und Affen auch!“ lachte der Sepp.
    „Was? Wollen Sie sich über mich lustig machen?“ rief der Offizier.
    „Nein. Aber Sie müssen doch zweierlei wissen: erstens, daß der Samiel nun längst über alle Berge ist und sich nicht hersetzen wird, bis die Manns- und Weibsleutln der ganzen Umgegend bis morgen abend hier versammelt sein werden. Und zweitens müssen 'S wissen, was für ein Beamter das Recht hat, ein solches Aufgebot zusammenzubringen. Sie können den Wald noch jahrelang mit Ihrem Militär besetzen, den Samiel fangen 'S doch nicht. Das will anderst anfangt sein.“
    Der Graf wußte nicht, was er sagen sollte. Er fühlte, daß der Alte recht habe, wollte aber doch auf seiner Autorität bestehen und antwortete deshalb:
    „Wer in dieser Beziehung zu befehlen hat, ich oder ein anderer, das kann ich jedenfalls auch entscheiden. Dazu brauche ich keines guten Rates.“
    „Nun“, meinte der Alte, „einen guten Rat hab ich Ihnen auch gar nicht geben wollen. Es war mehr als ein guter Rat. Es war eine Warnungen. Es ist jedenfalls nicht angenehm für den Herrn Grafen, wann er ein Aufgebot ergehen läßt an alle Dörfer der Umgegend, und kein einziger kommt. Nachher wird man höchstens nur auslacht.“
    „Oho! Ich möchte den sehen, der es wagen wollte, mich auszulachen!“
    „Nun, das können 'S keinem verbieten. Freilich, ins Gesichten hinein wird ihnen sogleich niemand lachen, sondern ohne daß Sie es zu sehen bekommen, nämlich hinter dem Rücken. Und das ist viel schlimmer als wann man es bemerkt und sieht. Nehmen 'S meine Worten auf ganz nach dem Ihrigen Wohlgefallen. Mir kann es ja ganz egal sein, was Sie denken und was Sie tun.“
    „Was ich zu tun habe, das weiß ich genau. Ich werde zunächst mit dem Förster sprechen. Dann wird sich das andere finden. Also mag mich einer von euch hinführen.“
    Einer der Tagelöhner erklärte sich bereit dazu. Mit ihm entfernte er sich, fluchend und grollend über den Streich, der ihm gespielt worden war. Er hatte sich denselben selbst zuzuschreiben.
    Das war auch das Thema, welches unter den Männern verhandelt wurde, welche nun wieder nach Kapellendorf heimkehrten. Der Graf handelte als Soldat, aber nicht als Polizist. Ein Räuber und Dieb ist nicht zu fangen, indem man aller Welt und also auch ihm

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