71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil
brennenden Kienspan, so daß die Flamme heller zu leuchten begann, und stellte sich sodann in den Schein derselben, damit die Anwesenden deutlicher sehen konnten, was sie tun werde.
Dann knöpfte sie die große Jacke auf, zog sie aus und warf sie von sich, auf einen freien Teil des Moos- und Blätterlagers.
„Das ist der eine Spenzer“, sagte sie. „Wart nur; es kommt noch einer und – noch einer.“
Bei diesen Worten warf sie nacheinander zwei Jacken ab, welche sie übereinander gezogen hatte, dazu das bereits erwähnte Tuch. Nun erst zeigte sich das Mieder, welches sie heut am Nachmittag getragen hatte.
„Und jetzund nun kommen die Röck und die Schürzen daran. Paß mal auf!“
Bei diesen Worten knüpfte sie drei Schürzen und drei Röcke los, welche sie zur Erde fallen ließ und stand nun ganz so da, wie sie an der Kapelle gewesen war. Sie legte die Sachen zu den andern auf das Lager und sagte, lustig die Hände zusammenschlagend:
„So, da hab ich mich halt ausgeschält und bin nun nicht mehr die dicke Schlampampen mit der Riesentaljen wie vorher. Frau, wie gefallt dir das?“
Der Säugling hatte getrunken und war nun ruhig. Die Frau legte ihn von sich und antwortete:
„Martha, wast da tust, ist doch wohl nur ein Scherzen?“
„O nein. Diese Sachen sollen dir gehören. Komm her, und tu sie mal an, damit ich schau, wie sie dir auch passen.“
„Das kann ich doch gar nicht glauben.“
„Wannst nicht glaubst, so kannst mich grad beleidigen. Willst das etwa tun?“
„Nein, kränken will ich dich nicht. Das wär ja gar eine Sünden bei so einer extrabraven Person, wie du bist. Aber so ein armes Schachert, wiest selber bist, darf doch nicht so große Geschenken machen. Ich darf mich nicht an den deinigen Sachen vergreifen. Denk nur mal daran, daßt's selber brauchen tust!“
„O nein. Sie passen mir gar nicht. Was will ich mit ihnen tun?“
„Kannst sie ändern lassen, damit sie dir nachher auf den Leib passen.“
„Ach geh! Da wird auch nix Gescheites draus.“
„Aber so viel, so gar viel!“
„Ich geb halt grad so viel, wie ich hab. Und wannst's nicht nehmen willst, so trag ich's wieder fort und geb's nachher einer anderen, mit welcher ich mich nicht so zu ärgern brauch. Aber ins Haus komm ich dir dann nicht wieder. Darauf kannst dich nur verlassen.“
„Also ist's wirklich dein Ernst?“
„Mein völliger!“
„Nun gut, so muß ich's schon nehmen, um nur an dir nicht eine gar so schlimme Feindin zu bekommen.“
„So schau es an, aber schnell! Ich kann es halt gar nicht derwarten, zu sehen, ob es dir auch passen wird.“
Nun wurden die Sachen angeprobt. Die arme Frau schwamm in einem Meer von Wonne, da sie sah, daß sie die Kleidungsstücke anziehen und tragen könne. Sie richtete ihren schwerkranken Mann in sitzende Stellung empor, damit auch er sie richtig betrachten könne. Selbst die Kinder machte sie auf jedes einzelne Kleidungsstück aufmerksam, welches sie anlegte. Es war eine Freude und ein Jubel, wie er in diesem ärmlichen Raum selten stattgefunden haben mochte.
Und Martha war die allerglücklichste unter ihnen. Sie half die Kleider anlegen. Sie war ganz Wonne. Ihr Gesichtchen strahlte förmlich im Glück des Wohltuns. Ihre Bewegungen waren so gewandt und schnell; ihre Stimme klang wie ein silbernes Glöcklein. Fritz wurde gar nicht müde ihr zuzusehen und vermochte es kaum, den Blick einmal für einen Augenblick von ihr abzuwenden.
„So“, sagte sie endlich, als alles anprobiert worden war. „Jetzunder sind wir fertig. Nun hab ich sehen, daß alles paßt, und ich freu mich königlich, daßt die Kleidern so schön tragen kannst.“
„Ja“, nickte die glückliche Frau. „Nun darf ich auch mal in die Kirch gehen, denn ich kann einen Staat machen, wie die reichste Bauernfrauen ihn nicht besser hat. Jetzund, wenn ich noch ein Geldl hätt für ein Paar Schuhen und eine Hauben, nachher wär ich das feinste Weib in der ganzen Gegend ringsumher.“
„Du kannst“, antwortete die Martha. „Ein Paar Schuhen sollen werden.“
„Das möcht ich aber wissen, woher?“
„Vom Fritz dahier.“
Die Frau wandte sich zu dem Knecht und sagte lachend:
„Ja, will mir denn der Fritz etwa ein Paar alte Schuhen von sich schenken? Da würde ich bald probieren, ob's mir an den Fuß passen tun.“
Jetzt war es an ihm, ein Wort zu sagen, aber er brachte nichts hervor.
„Na, Fritz, so red' doch auch mal!“ forderte Martha ihn auf.
Er fuhr sich mit der Hand in die Haare
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