72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
Siebenbürgen.“
„Sappermenten! So sind Sie freilich ein reicher Herr.“
„Oh, es ist nicht so schlimm.“
„Was sind 'S denn eigentlich?“
„Landwirt.“
„So schauen 'S aber gar nicht aus.“
„Wie denn?“
„Wie ein Offizier.“
„Das bin ich so nebenbei.“
„Und wo wohnen 'S denn?“
„Bald in Österreich, bald in Bayern, bald in Rußland auf meinen Besitzungen.“
Jetzt machte der Bauer große Augen.
„Besitzungen haben 'S? Was für welche?“ fragte er.
„Almen, große Weiden, Rittergüter, Schlösser, einige Paläste in verschiedenen Residenzen und so weiter.“
Bei seinem bescheidenen Wesen hätte er das wohl nicht erwähnt; aber das Erstaunen des reichen Bauern schien ihm Spaß zu machen.
„Herrgottsakra! Da sind 'S aber doch ein ganz und gar steinreicher Herr!“ rief dieser.
„Oh, es gibt reichere!“
„Darf man Ihren Namen derfahren?“
„Gern. Es ist bei uns Sitte, die Karte zu geben. Hier ist die meinige.“
Er gab sie ihm und der Bauer las:
„Horst Arnim Graf von Senftenberg.“
„Wie heißt das?“ fragte er. „Aus Senftenberg sind 'S?“
„Nein.“
„Da steht es doch!“
„Nicht aus, sondern von Senftenberg.“
„Ach so! Und heißen 'S Graf oder sind 'S einer?“
„Ich bin einer.“
„Donnerwetter!“
„Horst Arnim sind meine Vornamen. Von Senftenberg aber ist der Name meines Geschlechts.“
Da schlug der Bauer mit der Faust auf den Tisch und rief mit lauter Stimme:
„Das laß ich mir gefallen! Ein Graf sind 'S also, eine Erlauchten gar?“
„Ja.“
„Und die Leni kennen 'S?“
„Ich bin ihr Freund.“
„Hört ihr's ihr Leuteln! Paßt auf! Die Muren-Leni hat einen Grafen zum Freunden und Erlauchten. Und in meiner Sennhütt wollen 'S schlafen?“
„Gewiß.“
„Welch eine Ehr! Und der Leni zulieb! Nein, das muß man sagen, das passiert nicht alle Tag! Trink aus, Warschauer! Es muß ein neuer Krug kommen. Und heut sollst drei Kopfkissen haben anstatt nur eins. Ein Graf in einer Sennhütt schlafen! Da muß ich wenigstens der Sennerin einen Wink geben.“
Er stand auf, trat einige Schritte vor, so daß er von oben gesehen werden konnt, hielt die Hand seitlich an den Mund und jodelte:
„Holderoiho!“
Die Sennerin, welche an der Salzlecke stand, hörte es. Sie kannte das Zeichen ihres Brotherrn, blickte herab, sah ihn stehen und antwortete mit denselben Tönen.
Auf diese Antwort sang er:
„Mach's in der Hütten fein und schön;
Du wirst bald einen Fremden sehn!
Juch, juch!“
Sie hatte ihn verstanden, denn sie sang zurück:
„Laß ihn nur immer aufisteigen;
Bald werd ich ihm das Stadel zeigen.
Juch, juch!“
„Die Sakradira!“ lachte er. „In den Heustadel will sie ihn tun. Ja, es gibt halt keinen andern Platz da oben. Aber die jetzige hat keine Schneid. Die Leni hätt da ganz anderst antwortet. Es war eine Lust, mit ihr zu stanzeln.“
Und sich wieder niedersetzend, fuhr er fort:
„Da hatt' ich mein Leiblied. Wann ich das unten begann, hat sie sofort oben eingesetzt. Seitdem hat mir's keine andere so zu Dank sungen.“
„Welches Lied war es?“ fragte der Graf.
„Es beginnt mit den Worten ‚Allweil lustig, frisch und munter‘. Das war was für die Leni. Der Triller kam dann grad wie eine lange, lange prächtige Perlenschnur vom Himmel herab. Jetzund aber bei der jetzigen, das klingt grad, als wann man – na, es ist nicht zu beschreiben!“
„Mußt sie nur in Übung halten“, sagte einer, der an einem andern Tisch saß.
„Die Übung tut's nicht.“
„O doch! Mußt sie öfters ansingen!“
„Wann ich nicht muß, fallt's mir nicht ein.“
„Soll ich's mal probieren?“
„Kannst's machen. Hab nix dagegen.“
Der andere trat vor wie vorhin der Bauer und sang hinauf:
„Du herzig schönes Dirndl
Du liegst mir im Sinn,
Du liegst mir im Herzen
Zehn Klaftern tief drin!“
Die Sennerin blickte zwar herab, schwenkte aber verneinend den Arm und antwortete nicht.
„Schaust!“ lachte der Bauer. „Sie mag nicht.“
„Mußt sie noch mal anreden.“
Er sang:
„Wann der Auerhahn balzt
Und der Kuckuck laut schreit,
So ist halt gewiß
Mein Dirndl nit weit.“
Aber er erreichte seinen Zweck nicht. Die Sennerin blickte gar nicht einmal herab. Da aber stand die andere von der Bank auf, hielt die Hand an den Mund und sang:
„Jetzt geh nur gleich eini
Du sakrischer Bu!
Deine Großmutter gibt dir Zucker
Und ein Schmatzerl dazu.“
Das klang so mächtig und doch so zart, hell und klar. Der Bauer sprang
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