72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
lieber.“
„So weilen wir hier. Kommen Sie!“
Sie trat hinaus, legte den einen Arm in den seinen, deutete mit dem andern rundum und sagte:
„Schauen Sie, das war mein Reich. Das gehörte mir. Jetzt ist's mir genommen worden.“
„Ein herrliches Reich, aber eng und klein.“
„Wir Frauen sind ja im kleinen so glücklich.“
„Und es gehörte Ihnen doch nicht!“
„Habe ich jetzt etwa ein anderes?“
„Ja, das herrliche Reich der Kunst.“
„Das gehört nicht mir. Da bin ich eine Untertanin wie jede andere auch. Setzen wir uns auf diese Bank. Da habe ich so oft mit meinem alten Sepp gesessen, und zuletzt gar mit dem König.“
Sie setzten sich nebeneinander.
„Was fühlten Sie damals, als der König neben Ihnen saß?“ fragte er. „Waren Sie beklommen?“
„Nein, gar nicht. Es war mir, als ob ein ganz gewöhnlicher Mann bei mir sei. Und doch war ich voller Ehrfurcht und Respekt. Es war zu späterer Tageszeit als jetzt, und zuletzt mußte ich ihm ein Lied singen.“
„Das war wohl jener Abend, an welchem der Krickel-Anton ihn vom Tod rettete?“
„Ja. Der Bär war hinter dem Haus. Der Anton lief davon im Mondschein über jenen Felsengrad hinüber.“
Der Graf wendete den Blick nach der bezeichneten Richtung.
„Da hinüber!“ rief er schaudernd. „Wie ist das möglich. Das traue ich nicht einmal einem Seilkünstler zu.“
„Oh, Sie wissen nicht, was ein tüchtiger Sohn der Berge leistet. Und der Anton war berühmt.“
„Er wäre es auch jetzt, wenn –“
Er unterbrach sich. Sie blickte ihn lächelnd an und fragte:
„Warum sprechen Sie nicht weiter? Ich kenne gar wohl den Grund.“
„Schwerlich!“
„Oh, gewiß.“
„Nun, welcher ist es?“
„Sie schweigen aus Zartgefühl. Sie denken, ich fühle mich geniert, wenn von dieser Person die Rede ist. Habe ich recht?“
Er nickte still.
„Sie irren sich, lieber Freund.“
„Wirklich?“
„Ja. Nur wenn ich mir irgend etwas vorzuwerfen hätte, würde ich mich scheuen, von ihm zu hören.“
„Leni! Was sagen Sie! Diese Bemerkung ist ja ganz und gar überflüssig!“
„Sehen Sie! Ich habe geglaubt, ihn zu lieben. Aber was ich für Liebe hielt, war romantisches Mitleid. Er war gefürchtet und gehaßt. Das tat mir weh. Da haben sie alles.“
„Und jetzt denken Sie nicht mehr an ihn?“
„Warum nicht?“
Sie richtete ihre Augen voll und ernst auf ihn. „Er tut mir leid.“
„Daran erkenne ich Sie, Leni. Wenn Sie mit ihm Mitleid fühlen, darf ich vielleicht hoffen, daß Sie auch mir verzeihen werden.“
„Was hätte ich Ihnen zu verzeihen?“
„Daß ich Sie heut hier überfalle.“
„Dafür sollte ich Ihnen allerdings zürnen!“
„Nicht wahr?“
„Ja. Ich wollte ganz allein mit mir und meinen Gedanken sein.“
„Und nun entreiße ich Sie Ihren Erinnerungen. Kann ich auf Gnade rechnen?“
„Ich bin Ihnen vielmals dankbar, daß Sie meine Träumerei unterbrochen haben. Ich habe mit der Vergangenheit abgeschlossen und lebe nur für die Gegenwart und Zukunft. Also sollte ich mich nicht mehr mit solchen Reminiszenzen befassen. Zürnen kann ich Ihnen folglich darüber nicht; aber es gibt ein anderes, was mir Grund gibt, Ihnen recht, recht bös zu sein.“
„Welches Verbrechen hätte ich denn da begangen?“
„Sie sind – ein Fälscher.“
Er lächelte ihr unbefangen zu.
„Ein Fälscher? Ich? Wieso?“ fragte er.
„Ich denke, meine Anklage soll sie gradezu niederschmettern, und sehe Sie lächeln. Ich bin ganz fassungslos!“
„Über meine Gottlosigkeit?“
„Ja.“
„Ich scheine also ein sehr schlimmer Sünder zu sein. Meinen Sie nicht auch?“
„Ja. Von Reue gibt es keine Spur.“
„Leni, scherzen Sie, oder haben Sie wirklich etwas gegen mich?“
„Wirklich!“ nickte sie ernst.
„So sagen Sie mir schnell: Was?!“
„Ich sagte es Ihnen bereits. Sie sind ein Fälscher. Können Sie das ohne Zittern hören?“
„Ich fühle mich faktisch nicht imstande, den Grund dieser Anklage zu erkennen.“
„So muß ich deutlicher sein: Sie fälschen Briefe und Unterschriften. Es ist entsetzlich!“
Es wurde schnell dunkel, dennoch sah sie, daß er tief errötete. „Wollen Sie es leugnen?“ fragte sie.
„Nein. Es ist leider an den Tag gekommen.“
„Und mich haben Sie in ein ganz falsches Licht gebracht durch diese Manipulationen.“
„Darf ich mich entschuldigen?“
„Ich glaube nicht, daß Sie das vermögen.“
„Vielleicht doch, Leni. Es kam mir nämlich ein Gedanke, welchen ich
Weitere Kostenlose Bücher