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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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für einen köstlichen hielt. Sie werden voraussichtlich bei der Einweihungsvorstellung große Triumphe feiern und –“
    „Bitte, bitte!“ unterbrach sie ihn.
    „Oh, ich schmeichle nicht, sondern ich spreche meine Überzeugung aus. Man hat Sie so lieb allüberall, wo Sie geweilt haben. Ihre alten, braven Freunde würden gewiß glücklich sein, wenn sie Zeugen dieser Triumphe sein könnten. Ihre ersten und ältesten Freunde haben Sie hier. Sie sind es am meisten wert, daß man ihrer gedenkt, und da habe ich ihnen von Wien aus die Briefe geschrieben. Ich wollte Sie überraschen. Ich glaubte, Sie würden sich freuen, wenn Sie Ihren alten, ehrwürdigen Pfarrherrn, Ihren früheren Brotherrn und die guten Warschauers sehen würden. Und nun höre ich, daß ich mich getäuscht habe.“
    Sie konnte sein Gesicht nicht mehr deutlich sehen, weil es immer mehr dunkelte; aber sie hörte es seiner Stimme an, daß er wirklich schmerzlich berührt war. Sie griff hinüber, nahm seine Hand, drückte sie leise und fest:
    „Nein, mein lieber Freund, Sie haben sich nicht getäuscht. Sie haben mich erfreut. Ich scherzte nur. Wie kann ich Ihnen zürnen, wenn Sie daran denken, mich zu erfreuen!“
    „Das beruhigt mich außerordentlich. Sie glauben nicht, wie ich erschrak, als ich hörte, daß Sie hierher seien. Ich ahnte doch, daß Sie von dieser, wenn auch gut gemeinten Fälschung hören und mir zürnen würden. Darum eilte ich Ihnen so schnell nach.“
    „Ah, deshalb also?“
    „Ja.“
    „Lieber Graf, Sie desavouieren sich selbst.“
    „Wieso?“
    „Vorhin sagten Sie, die Sehnsucht habe Sie hierher getrieben.“
    „Das ist ebenso wahr.“
    „Ich soll das glauben?“
    „Ich bitte Sie herzlich darum! Ich habe mich wirklich gesehnt; aber trotz meiner Sehnsucht wäre ich in Scheibenbad geblieben, um dort Ihre Rückkehr zu erwarten. Ich mußte mir ja sagen, daß Sie nur darum nach der Heimat gegangen seien, um die Erinnerung zu genießen, und da muß man ja ungestört sein. Aber die Sorge, daß Sie von meinen Briefen hören würden, ließ mich diese Pflicht der Höflichkeit und Rücksicht vergessen und trieb mich Ihnen nach.“
    „Sie verstehen, sich gut zu verteidigen.“
    „Weil ich nur die strenge Wahrheit sage.“
    „Und den lieben Warschauers haben Sie nicht nur geschrieben, sondern ihnen auch Geld geschickt!“
    „Das wissen Sie?“
    „Vom Kapellenbauer.“
    „Der also, der hat es verraten!“
    „Verraten hat er es nicht. Er glaubte, ich sei die Urheberin des Briefes, den er erhalten hat, und sprach davon. Ich hatte natürlich keine Ahnung und ließ ihn mir zeigen.“
    „Da erkannten Sie meine Handschrift?“
    „Ja. Er sagte mir, daß ich auch an Warschauer geschrieben und ihm das Geld geschickt habe.“
    „Sie sind doch nicht etwa so grausam gewesen, mich zu verraten?“
    „Eigentlich hätte ich Sie dadurch bestrafen sollen.“
    „So grausam sind Sie nicht!“
    „Meinen Sie? Nun ja, Sie können recht haben. Ich habe Ihre Ehre gerettet, und mich zu Ihren Sendungen bekannt.“
    „Dank, herzlichen Dank, Leni!“
    „Nicht so schnell! Ich habe im stillen natürlich eine Bedingung daran geknüpft, daß ich Ihnen die dreihundert Gulden zurückzahlen darf. Sie haben das Geld ja nur ausgelegt.“
    „Aber Leni!“
    „Sie wollen nicht?“
    „Nein.“
    „So werde ich es sagen müssen, daß Sie der Spender waren. Oder wünschen Sie, daß ich mich mit fremden Federn schmücken soll?“
    „Dieses Mal, ja, denn es sind die meinigen.“
    „Nun, darüber werden wir ja noch sprechen. Ich erfahre erst durch den Kapellenbauer, daß die armen Leute jetzt gehungert haben! Ich habe ihnen bei meinem Bankier ein für allemal einen kleinen Betrag angewiesen, den er ihnen monatlich zu senden hat. Er muß diese Notiz übersehen haben, und ich bin Ihnen doppelt dankbar, daß Sie die Not gelindert haben.“
    „Ich wollte, Sie gäben mir die Erlaubnis, recht viel für Ihre Bekannten zu tun!“
    „Dann müßte ich Sie zu meinem Bankier machen, und das kann ich einem Grafen von Senftenberg nicht zumuten.“
    „Tun Sie es, tun Sie es“, bat er, ihre Hand ergreifend und in der seinigen behaltend.
    „Führen Sie mich nicht in Versuchung! Ich könnte ihr unterliegen.“
    „Das wäre mein größtes Glück.“
    „Übrigens haben sich unsere Wünsche begegnet, der des Königs, der Ihrige und der meinige.“
    „Welche Wünsche?“
    „Daß meine Bekannten sich an meinen sogenannten Triumphen erfreuen sollen. Der König wünscht, daß

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