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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hätten Grund dazu.“
    „Ich kenne keinen.“
    „Eine verunglückte Sängerin!“
    „Kann ich dafür?“
    „Sie hatten sich überschätzt.“
    „So waren andere schuld.“
    „Nun scheint es fast, als ob Sie nicht einmal als Dienstmädchen eine feste Stellung halten könnten. Aus Wien sind Sie ja fort, wie ich sehe.“
    Sie blickte traurig zur Erde.
    „Ja, so mußte es kommen“, fuhr er fort. „Ich habe es vorausgesehen. Bei wem dienen Sie hier?“
    „Ich habe noch kein festes Engagement.“
    „Also bummeln Sie? Das ist die vorletzte Stufe. Die letzte kennen Sie. Wissen Sie noch, daß ich Sie damals warnte, nicht so dekolletiert zu gehen? Ich konnte es nicht ertragen. Sie haben meine Weissagung wahr gemacht. Sie sind gesunken und können niemals wieder emporkommen, während ich ein berühmter Künstler geworden bin. Pfui Teufel.“
    Er spuckte vor ihr aus und ging dann weiter. Er war alle Tage nach der Mühle spaziert, um da zur Unterstützung seiner Stimme seine Morgenmilch zu trinken. Das hatte er auch heute vor.
    Als er dort ankam, wunderte er sich über das rege Leben, welches dort herrschte. Eben wollte er eintreten, als ein anderer herauskam, bei dessen Anblick er zurückfuhr.
    „Graf Senftenberg!“ rief er aus.
    „Ach! Signor Criquolini!“
    „Was tun Sie hier?“
    „Sommerfrische mit meiner Braut.“
    „Sind Sie denn verlobt?“
    „Ja, doch erst seit einigen Tagen.“
    „Mit wem? Aristokratin?“
    „Ja, Aristokratin der Kunst.“
    „Da warne ich Sie. Seien Sie vorsichtig!“
    „Pah! Eine Tänzerin Valeska ist sie nicht. Die meine maust nicht wie die Ihrige. Adieu!“
    Der Graf trat wieder in das Haus zurück. Darum ging Anton nicht hinein, sondern kehrte um und ging mißmutig nach der Stadt zurück.
    Später mußte er zur Generalprobe, bei welcher alle Teilhaber versammelt waren.
    Eigentümlicherweise hatten die Sänger die Trägerin der Hauptrolle noch gar nicht gesehen. Sie war noch nicht da. Heut aber sollte sie kommen und während der Hauptprobe ihre Rolle singen. Diese Rolle war bisher von einer unbeschäftigten Sängerin stellvertretend übernommen worden, wofür dieselbe ein Honorar erhielt.
    Alle, alle waren begierig, die berühmte Signora zu sehen, von der man wußte, daß ihr Ruf noch viel zu wenig sage. Aber sie kam nicht.
    Der Fex dirigierte natürlich selbst. Wie wunderte man sich, als er das Zeichen zum Anfang gab. Die Ubertinka war nicht da und die Stellvertreterin auch nicht.
    Die Musik begann, und alles klappte. Als die Ubertinka einzusetzen hatte, erscholl ihre Stimme aus der Höhe des zweiten Rangs herab. Sie war also da, ließ sich aber nicht sehen.
    Das frappierte alle. Welchen Grund hatte sie? Stolz? Wohl nicht. Die Probe fiel glänzend aus. Als sie zu Ende war, eilten alle zu dem Ausgang, um die Sängerin zu sehen. Sie war bereits fort – natürlich hinaus nach der Mühle, welche so voller Gäste steckte, daß kein Mensch mehr Platz zu finden vermochte.
    Und wer waren diese Gäste? Alle diejenigen Personen, von denen Leni zu dem Grafen gesprochen hatte.
    Auch Rudolf von Sandau, der Baumeister, wohnte mit seiner Mutter da. Er hatte mit dem Theater Ruhm geerntet, und seine Zukunft war nun mehr als gesichert. Diejenige, welche er liebte, Milda von Alberg, war bereits gestern abend gekommen, aber nicht in der Mühle abgestiegen. Der Sepp hatte ihr ein Privatlogis besorgt, in welchem sie sehr einsam gewesen wäre, wenn nicht Max Walther, ihr Stiefbruder, den Morgen bei ihr verbracht hätte.
    Sie saß am Fenster und blickte auf die Straße hinaus. Sie war bleicher geworden. Sie liebte und wußte sich wiedergeliebt; aber Rudolf hatte sich einmal vorgenommen, nicht eher das entscheidende Wort zu sprechen, als bis er eine sichere Existenz vor sich habe.
    Dazu kam noch eins. Ihr Vermögen drückte sie. Sie wußte, daß es nicht das ihrige sei, daß es den Nachkommen jenes Herrn von Sandau gehörte, den ihr Vater so unglücklich gemacht hatte. Und diese waren trotz allen Fleißes nicht aufzufinden.
    Auch jetzt dachte sie wieder daran. Ihr Bruder saß lesend am Tisch, beobachtete sie aber dabei. Sie seufzte tief auf.
    „Milda“, sagte er. „Wollen wir nicht einen Ausgang machen?“
    „Wozu?“
    „Ich denke, du langweilst dich.“
    „Gewiß nicht. Ich amüsiere mich am regen Leben der Straße.“
    „Und denkst dabei an alte Geschichten!“
    „Leider! Ich denke stets daran.“
    „Schlage dir es aus dem Sinn.“
    „Das ist nicht möglich. Ich quäle und quäle mich

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