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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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das mag ich nicht erhören. Ich glaube an dich. Ich liebe dich, nicht weil du reich bist und ein Graf, sondern weil du so brav bist, so herzensbrav.“
    „So mag mein Eid im stillen gesprochen sein. Der Herrgott wird ihn hören, und er weiß es, daß ich ihn halten werde.“
    Er legte seine Lippen auf ihren Mund, und sie erwiderte seinen Kuß ohne Sträuben.
    „Da hab ich das Glück doch da gefunden, wo ich glaubte, es verloren zu haben, hier an der Hütte, wo damals der Anton von mir ging. Ich werde das jetzige fest halten, damit es mir nicht wieder enteile.“
    „Dürfen wir schon davon sprechen, Leni?“ fragte er.
    „Nein, weil ich den Anton bestrafen will.“
    „Ich will nicht darüber mit dir rechten. Doch meine ich, daß er deiner Beachtung gar nicht würdig sei.“
    „Da geht er vollends zugrunde; ich aber möchte ihn für seine armen Eltern retten.“
    „So tue es! Ich weiß ja, was du tust, das ist gut. Du wirst niemals etwas tun, was später zu bereuen wäre.“
    „Mit Absicht gewißlich nicht. Laß mir diesesmal noch den Willen; später werde ich dir gar gehorsam sein.“
    „Gehorsam? Leni, nein! Wir haben beide gleiche Rechte, und unser größtes Recht soll die Liebe sein. Aber darf ich es nicht wenigstens dem Kapellenbauer sagen?“
    „Warum diesem?“
    „Er weiß bereits davon.“
    Er erzählte ihr, was er unterwegs mit dem Bauer gesprochen hatte.
    „Da ist dir das Herz davongelaufen“, sagte sie munter. „Ein Graf vertraut einem Bauer seine Seele an! Aber grad, daß du so bist, das macht mich eben glücklich. Dennoch bitte ich dich, sage ihm noch nichts. Er kann es vielleicht nicht verschweigen, und dann erfahren es Antons Eltern, die es ihrem Sohn als größte Neuigkeit wieder sagen.“
    „Ganz wie du willst. Ich füge mich gern.“
    „Und nun wollen wir abisteigen. Da unten warten sie auf uns.“
    Und die Hand an den Mund haltend, sang sie mit schallender Stimme hinab:
    „Jetzt klettr' i, jetzt steig i
Ins Dörfli hinein,
Denn hier oben zu haxen,
Hier oben zu kraxen,
Das fallt mir nit ein.
Juvilla, juvalla!“
    Das klang jetzt ganz anders als vorhin, so fesch, so keck, so übermütig, als sei sie plötzlich eine ganz andere geworden.
    Und unten ertönte sofort die antwortende Stimme des Kapellenbauern:
    „Steigt über, steigt unter,
Doch stolpert ja nicht!
Da oben im Dunkeln,
Da soll man nit munkeln;
Kommt runter zum Licht.
Juvilla, juvalla!“
    „Schau das zielt auf das, was du ihm anvertraut hast. Er spricht schon davon, ja er singt schon davon!“ lachte Leni. „Ihm ist halt nicht zu trauen. Ich werde ihm gleich eine Lehre geben.“
    Sie sang hinab:
    „Du plaudrige Taschen,
Die schweigen nit will,
Denk, daß nur die Spatzen
Die ganze Woch schwatzen,
Und sei nun fein still.
Juvilla, juvalla!“
    Es war als ob man das kräftige Lachen des Bauern von unten herauftönen höre. Dann stiegen die beiden bergab, trotz der Dunkelheit mit sicheren Schritten, denn Leni kannte den Weg ganz genau und machte, innig an den Geliebten geschmiegt und den Arm um ihn haltend, die sorgsame Führerin. – – –
    Der Mittwoch war angebrochen, und in Scheibenbad hatten sich die Leute sehr früh vom Lager erhoben. Der Tag war ja ein außerordentlich festlicher. Die Einweihung eines neuen Theaters ist ja grad besonders für einen Badeort ein Ereignis, zumal man auch anderwärts die Wiederkehr desselben kaum nach hundert Jahren erwarten kann.
    Die Straßen waren festlich geschmückt. An den Häusern hingen Kränze und Girlanden; über die Gassen zogen sich lange Kranz- und Blumenseile, und der Platz vor dem Theater bot einen herrlichen Anblick.
    An der Front des in herrlicher Frührenaissance erbauten Kunsttempels ragten Masten empor, an denen die Flaggen des Landes im Wind flatterten. Die Fassade verbarg sich fast ganz unter duftendem Schmuck, und grüne Waldbäume mußten den Platz in einen kleinen Park verwandeln.
    In den Gassen tummelte sich schon vor der Ankunft des Zugs ein reges Leben. Die Herren des Festkomitees standen auf dem Bahnhof, um – den König zu empfangen.
    Einer befand sich in ihrer Nähe, den sie alle kannten, und über den sie im stillen lachten, obgleich an seinem Äußeren nichts zu finden war, was Anlaß zu diesem Lachen geboten hätte.
    Er trug, von unten angefangen, glänzende, lacklederne Stiefeletten, schwarze enganliegende Tuchhosen, einen glänzenden Frack, nach neuester Mode gearbeitete weiße Weste, weiße Handschuhe, weiße Krawatte und einen Chapeau claque auf

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