72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
Warnungen zu unterstützen und mir rechtzugeben, hast du sie in ihrem Leichtsinn bestärkt. Und daß du mich nicht nur in meiner Wohnung, sondern sogar hier bei meiner Braut aufsuchst, das ist gradezu eine Niederträchtigkeit, die ihresgleichen gar nicht findet.“
Sepp machte noch immer eine zerknirschte Miene. Er fragte mit gesunkener Stimme:
„Eine Niederträchtigkeit? Nein, so schlimm bin ich doch nicht. Du darfst mich nicht gar so schlecht machen.“
„O ja, eine Niederträchtigkeit ist es. Du hast erfahren, daß ich eine Braut habe und bist nun in der Absicht hierher gekommen, mich vor ihr zu blamieren. Du hast gemeint, sie weiß es noch nicht, daß ich schon eine Geliebte gehabt habe. Darum bringst du mir einen Gruß von deiner hübschen Leni, damit Valeska eifersüchtig werden und mir den Abschied geben soll.“
„Nein, das hab ich wirklich nicht beabsichtigt!“
„Jedenfalls!“
„Wirklich nicht. Anton, ich will dir aufrichtig sagen, wie sehr ich mich freu, daßt so eine Braut funden hast. Ihr paßt mitnander so gut zusammen, daß es eine Sünd und eine Schand sein tät, euch uneins zu machen. Was aber sagt denn der Herr von Stubbenau dazu?“
„Der?“ fragte Anton. „Was hat der mit dieser Angelegenheit zu schaffen?“
„Sehr viel.“
„Unsinn!“
„Oh, weit mehr, alst denkst. Er ist doch ihr Geliebter.“
„Schweig!“ donnerte der Sänger. „Wenn du meine Braut beleidigen willst, so werfe ich dich hinaus. Da deine Schlechtigkeit bei ihr nicht verfängt, willst du nun mich gegen sie eifersüchtig machen. Aber das soll dir nicht gelingen.“
Da trat der Sepp auf ihn zu, legte ihm die Hand auf die Achsel und sagte nun endlich in einem ganz anderen Ton:
„Anton, der Wurzelsepp wird hier nicht hinausgeworfen. Ich kenne den Stubbenau und deine schöne Braut viel besser als du. Es kann mir gar nimmer einfallen, euch ausnander zu bringen, denn ihr seid einander wert, und die Leni ist ganz glücklich, daß sie nix mehr von dir zu wissen braucht. Ich bin in einer ganz anderen Absicht kommen, als du denkst. Wannst's wissen tätst, so gingst sofort hier weg und schaust die Valeska gar nie wieder an.“
Da fuhr die Tänzerin vom Sofa empor und rief im zornigen Ton:
„Anton, soll ich solche Beleidigungen hier in meiner eigenen Wohnung anhören? Ich hoffe, daß du mich schützen wirst!“
Auch der Sänger war jetzt wirklich zornig geworden. Er wollte dem Alten kräftig entgegentreten, besann sich aber eines andern. Er legte seinen Arm um die Tänzerin und erklärte im verächtlichsten Ton, der ihm möglich war:
„Es kann mir, der ich ein berühmter Künstler bin, gar nicht einfallen, mich wegen einer Kurtisane mit einem Wurzelsucher zu zanken, der ihren Zubringer macht. Meine Antwort, die ich ihm erteile, ist sehr einfach folgende.“
Er zog Valeska noch näher an sich, trat mit ihr auf den alten Sepp zu und erklärte in gehobenem Ton:
„Ich wiederhole dir: Das ist meine Braut, von der mich kein Mensch abbringen kann, du aber am allerwenigsten. Sage das deiner schönen Leni! Sie soll alle Hoffnung auf mich fahren lassen. Es wäre gradezu eine Schande für mich, wenn ich noch an sie denken wollte. Und nun ist's gut. Wenn ihr mich nicht in Ruhe laßt, werde ich den Beistand der Polizei zu Hilfe nehmen!“
„So!“ meinte der Sepp. „Also sie ist wirklich deine Braut?“
„Ja.“
„Und du läßt nicht von ihr?“
„Auf keinen Fall. Wir gehören einander für das ganze Leben an. Jetzt mach dich von dannen!“
„Wart nur noch einen kleinen Augenblick. Ich habe dich so lange und so gut kannt, daß ich wohl so höflich sein muß, dir zu der Verlobung und zu dieser Braut Glück zu wünschen. Es ist nicht meine Absicht gewest, euch zu trennen. Die Leni weiß es gar nicht, daß ich hier bin. Wegen ihr bin ich auch nicht kommen, sondern wegen einer ganz anderen Sache, die auch dich sehr interessieren wird. Was die Leni betrifft, so irrst du dich außerordentlich in ihr. Sie ist nicht gefallen, sondern brav geblieben, braver als du. Sie treibt sich nicht im Augarten herum. Daß sie mal dahin spazierengangen ist, das wird ihr wohl derlaubt sein. Dich wird sie am allerwenigsten fragen, was sie zu tun und zu lassen hat. Dir hat sie damals die Maulschellen geben, und ich denk, das ist deutlich genug gewest, daß sie nix, aber auch gar nix von dir wissen will. Du könntst vor ihr auf deinen Knien liegen und sie um Liebe und Gnade bitten, sie würde dich doch nur auslachen. Wer und was sie
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