72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
nannte die Zofe den Namen des Sängers. Als der Sepp denselben hörte, sagte er, sofort in seinen bayrischen Dialekt fallend:
„Da gehen 'S nur nochmal hinein und sagen 'S, daß der Wurzelsepp es ist, der hinein will.“
„Meinen Sie denn, daß Sie da empfangen werden?“
„Ja. Ich bin ein Bekannter von Criquolini, und Ihre Herrin wird mich nicht fortweisen.“
Das Mädchen versuchte die Meldung zum zweiten Mal.
„Bitte, bleiben Sie hier im Vorzimmer“, sagte der Alte. „Ich will diese beiden erst einmal als Verlobte sehen.“
Die Zofe kehrte zurück und meldete, daß der Wurzelsepp eintreten könne. Der Beamte blieb zurück.
Der Krickel-Anton hatte keine Ahnung, daß sich sein einstiger guter Freund, mit dem er jetzt allerdings zerfallen war, in Wien befinde. Darum war er sehr überrascht, daß der Wurzelsepp mit der Tänzerin sprechen wolle.
Er stand hoch und stolz inmitten des Zimmers und empfing den Alten mit einem keineswegs freundlichen Gesicht.
„Du hier?“ fragte er. „Was willst du in Wien?“
„Was soll ich da wollen? Anschauen will ich mir's.“
„Ja, du hast dich auch ganz als Tourist angekleidet. Der schmutzige Sepp ist gar nicht zu erkennen.“
„Kleider machen halt Leute; der innerliche Schmutz aber ist nicht wegzubringen.“
„Keine Anzüglichkeiten!“
„Ist mir auch keine eingefallen.“
„So! Was willst du denn hier bei Fräulein Valeska?“
„Dich hab ich hier gesucht.“
„Wer hat dir denn gesagt, daß ich hier sei?“
„Ich hab gehört, wannst nicht zu Haus seist, so kann man dich hier treffen oder wenigstens derfragen.“
„Ach so! Und da läßt du dich als einen von der Behörde anmelden?“
„Ich? Das fallt mir nicht ein. Das war halt der andere, welcher nach mir herein will.“
„Er mag bleiben. Wir haben keine Zeit. Übrigens hoffe ich, daß es etwas sehr Notwendiges ist, was dich zu mir führt. Nur so etwas kann es entschuldigen, daß du diese Dame mit deiner Gegenwart belästigest.“
„Notwendig wird's schon sein“, nickte der Alte.
„Nun, was ist es denn?“
„Ein Gruß von der Muren-Leni.“
„Und das soll notwendig sein! Da pack dich nur augenblicklich wieder fort!“
„Das werd ich schon gern tun, wannst mir vorher eine Antworten mitgeben willst.“
Der alte Sepp sprach in ruhigem, ja freundlichem Ton. Anton aber stand da wie ein Fürst, welcher Audienz erteilt. Die Tänzerin machte ein höchst indigniertes Gesicht. Der Katzenjammer, welcher die Folge des vorigen Abends war, nahm ihr die Laune und die Lust, sich mit einem solchen Störenfried abzugeben.
„Einer Antwort bedarf es nicht“, erklärte der Sänger. „Du hättest den Gruß unterlassen sollen. Mich geht diese Leni gar nichts mehr an. Sie ist eine Gefallene, mit der ich nichts zu tun haben mag.“
„Eine Gefallene? Was meinst damit?“
„Das brauche ich dir wohl nicht erst zu erklären.“
„Freilich mußt's derklären. Ich weiß halt doch kein Wort davon, daß sie gefallen ist.“
„Sie treibt sich mit andern liederlichen Frauenzimmern im Augarten herum.“
„Ach so! Das also nennst gefallen, das! Wannst nur du dich nicht noch viel schlimmer herumtreibst! Grad du brauchst über dieselbe die Nase nicht zu rümpfen.“
„Schweig!“ fuhr Anton ihn an. „Denkst du, ich kenne deine Absicht nicht?“
„Du kennst sie? Was hab ich denn für eine?“
„Du bist wohl nur deshalb nach Wien gekommen, um den Kuppler für die Leni zu machen. Sie hat mich im Augarten gesehen; sie weiß also, daß ich hier bin. Da machst du nun ihren Spion und hast mich ausgekundschaftet, damit du mich wieder für sie angeln kannst. So ist es!“
Er hatte das in einer ungemein höhnischen Weise gesagt. Der Alte antwortete gar nicht; er machte ein sehr betrübtes Gesicht, als ob er bei irgendeiner unrechten Tat ertappt worden sei. Darum fuhr Anton fort:
„Man sieht es dir deutlich an, wie recht ich habe. Du machst ein Gesicht wie ein Spitzbube, welcher auf frischer Tat ertappt worden ist. Aber bei mir hast du dich verrechnet. Ich habe es dir und deiner schönen Leni sofort gesagt, daß sie zugrunde gehen wird; aber anstatt in sich zu gehen und mir für die Warnung dankbar zu sein, ist sie ihre eigenen, schlimmen Wege gegangen. Jetzt nun ist sie so tief gesunken, daß sie niemals wieder emporkommen kann. Und nicht nur leichtsinnig ist sie, sondern sogar schlecht, und du bist ebenso schlecht wie sie, ja noch viel, viel schlechter. Du bist ihr eigentlicher Verführer. Anstatt meine
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