72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
mich aber in letzter Zeit in Wien.“
„Können Sie mir das beweisen?“
„Donnerwetter! Glauben Sie mir nicht?“
„Ich glaube Ihnen. Aber was tue ich mit dem Glauben? Bei dieser Art Geschäft muß man haben eine vollständige Sicherheit.“
„Nun, die kann ich Ihnen bieten. Hier!“
Er zog seine Legitimation hervor und gab sie ihm. Der Jude las sie aufmerksam durch, gab sie ihm zurück und sagte:
„Jetzt habe ich den Beweis, daß Sie mir die Wahrheit gesagt haben. Nun können wir vom Geschäft sprechen. Was bringen Sie mir?“
„Ich möchte von diesen Sachen grad hier lieber nicht reden, Baruch Abraham.“
„Warum nicht?“
„Es ist hier Restauration.“
„Was tut das?“
„Sehr viel. Es ist ein öffentlicher Ort.“
„Aber es hört uns niemand.“
„Das denken Sie. Wie leicht aber kann es anders sein. Gegen meine Person waren Sie so vorsichtig, und gegen andere hegen Sie keine Befürchtungen. Nein, hier nicht.“
„Wo denn?“
„Bei Ihnen.“
„Ah, Sie wollen gehen mit mir in mein Haus?“
„Ja. Ist das nicht möglich?“
„Möglich ist es, und vielleicht ist's das beste, was wir tun können. Aber ich kann jetzt nicht fort.“
„Warum?“
„Weil die beiden Herren sind hinausgegangen. Ich habe gemacht mit Ihnen einen sehr guten Handel; sie bezahlen die Zeche für mich, und ich bin ihr Gast.“
„Sie wollen nicht gehen, ohne sich von Ihnen zu verabschieden?“
„Ja.“
„Nun, das können Sie ja tun. Wir warten, bis Sie wieder hereinkommen.“
„Auch habe ich noch auszutrinken meine Flasche.“
„Das können Sie bereits jetzt besorgen, damit wir gleich gehen können, wenn Sie kommen. Ich habe keine Zeit, so lange zu warten, bis Sie die Flasche langsam geleert haben.“
Er setzte sich durch seinen entschiedenen Ton so in Respekt, daß der Jude sein Glas schleunigst füllte und wieder leerte. Dabei erkundigte er sich:
„Wo logieren Sie?“
„Noch gar nicht. Ich kam mit dem letzten Zug und habe Sie schon aufgesucht. Haben Sie vielleicht einen Platz für mich bei sich?“
Der Jude streckte ihm beide Arme entgegen, spreizte alle zehn Finger aus und rief:
„Au weih! Wie kann ich haben Platz für fremde Leute! Habe ich doch ein Ein- und Verkaufsgeschäft für alte Sachen, aber nicht eine Herberge!“
„Nun gut, so muß ich mir einen anderen Ort suchen. Erschrecken Sie nicht!“
„Warum sollt ich nicht erschrecken? Weiß ich doch noch gar nicht, ob ich werde machen ein gutes Geschäft mit Ihnen.“
„Sie werden es machen.“
„Wieso?“
„Ich bringe etwas zu verkaufen und will auch etwas abkaufen. Und bei beidem werden Sie verdienen.“
„So sagen Sie, was Sie wollen kaufen!“
„Hier nicht, sondern später. Reden wir jetzt lieber von anderen Dingen.“
Er gab sich nun Mühe, den Juden über das erste beste gewöhnliche Thema so gut wie möglich zu unterhalten, so daß diesem die Zeit nicht zu lang wurde. Dies gelang ihm auch so gut, daß es Baruch Abraham gar nicht auffiel, wie lange Hans und Max abwesend waren.
Als die beiden dann zurückkehrten, sagte der Sepp zu ihnen:
„Meine Herren ich muß um Verzeihung bitten, daß ich ihnen diesen Herrn entführe. Ich habe noch Geschäfte mit ihm.“
„Ja“, fügte der Jude hinzu: „so gern ich noch länger blieb, ich muß doch gehen fort mit ihm. Er will mir noch zeigen ein schönes Gemälde. Sie haben sich betragen sehr nobel gegen mich, und ich sage meinen Dank dafür.“
Indem Max schnell Sepps Hut herbeiholte, scheinbar aus bloßer Höflichkeit, gab er ihm mit demselben zugleich den Pfortenschlüssel heimlich in die Hand.
„Gelungen?“ fragte der Alte dabei leise.
„Ja. Sei nicht lange!“
Sepp entfernte sich mit dem Juden.
Als dieser auf die Gasse trat und die kühle Nachtluft einatmete, wurde ihm der Kopf schwer. Der Rausch kam zur Geltung.
„Gott Abrahams“, sagte er, „was ist denn das? Wo bin ich denn hingeraten?“
„Das sehen Sie doch!“
„Ich kenne doch gar nicht mehr die Gegend. Alle Häuser tanzen Polka rundum!“
„Das tut der Wein. Es wird bald nachlassen.“
„Führen Sie mich! Ich kann nicht mehr stehen auf meinen eigenen Beinen!“
„Auf fremden würde es Ihnen wohl noch viel schwerer werden. Geben Sie mir Ihren Arm!“
Er faßte ihn unter und führte ihn nach seinem Haus. Dort dauerte es eine halbe Ewigkeit, bevor Baruch Abraham den Hausschlüssel hervorbrachte, und sodann konnte er das Loch nicht treffen.
„Wir sind an einer falschen Tür“, behauptete
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