72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
welchem du vor allen Nachforschungen sicher bist.“
„Wo befindet er sich?“
„Er wohnt im Hotel Europa. Kennst du es?“
„Nein. Aber in ein Hotel kann ich nicht.“
„Warum?“
„Hast du nicht gesehen, wie ich gekleidet bin? Ich bin sogar barfuß.“
Er erinnerte sich, daß sie nur ein einziges Röckchen angehabt hatte. Darum verstand er ihre Einwendung gar wohl.
„Du kannst getrost mit“, antwortete er. „Es sind Kleider für dich vorhanden.“
„Auch Schuhe?“
„Ja, alles, was du brauchst. Komm nur mit!“
Er zog sie hinaus vor die Tür und riegelte dieselbe vorsichtigerweise wieder zu, damit man ihre Flucht nicht gleich bemerken möge. Dann huschten sie miteinander über den Söller hin und die Treppe hinab.
„Gelungen?“ fragte Max, als er sie kommen hörte.
„Ja.“
„Gott sei Dank! Es hat lang gedauert.“
„Es ging nicht schneller. Jetzt will ich meine Stiefel anziehen, und dann rasch fort!“
Während Johannes sich mit seiner Fußbekleidung beschäftigte, ergriff Anita Maxens Hände und sagte mit bewegter Stimme:
„Auch Sie halfen mir, Herr. Wie soll ich Ihnen danken!“
„Dadurch, daß Sie glücklicher werden, als Sie bisher waren.“
„Oh, ich bin glücklich, weil ich frei bin.“
„Was müssen Sie gelitten haben, Sie armes, armes Kind! Aber kommen Sie nun! Wir dürfen uns nicht länger verweilen.“
Er schritt voran. Johannes nahm das Mädchen bei der Hand und folgte ihm.
Sie gelangten aus dem Hof hinaus. Max verschloß die Tür und steckte den Schlüssel zu sich. Nachdem sie sich überzeugt hatten, daß sie nicht belauscht wurden, eilten sie nach dem mehrfach erwähnten Garten.
„Hier herein!“ sagte Max, indem er vorankroch und dann die beiden anderen, die ihm schweigend folgten, nach der von Sepp beschriebenen Ecke führte, wo er das Kleiderpaket liegen fand.
„Hier sind Sie einstweilen sicher, Signorina“, sagte er. „Wir müssen uns für kurze Zeit entfernen.“
„Mein Gott, Sie wollen mich verlassen!“
„Nur auf wenige Minuten.“
„Mir ist so angst!“
„Sie brauchen nichts zu fürchten. Wir holen nur den Freund herbei, der Sie in seinen Schutz nehmen will.“
„Kann ich nicht mitgehen?“
„Nein. Der Jude würde Sie sehen.“
„Wo ist er? Schläft er nicht?“
„Er ist noch wach. Wir haben ihn mit in ein Weinhaus genommen und betrunken gemacht. Der Freund sitzt bei ihm und hält ihn fest, damit er uns nicht stören konnte.“
„Oh, das war klug gehandelt!“
„Nicht wahr? Ebenso erfordert es die Klugheit und Ihre Sicherheit, daß wir Sie jetzt allein lassen. Wir müssen den Freund benachrichtigen, daß ihre Flucht gelungen ist; dann kommen wir sofort wieder.“
„Aber Sie verlassen mich nicht? Sie kommen gewiß zurück, ganz gewiß?“
„Ganz gewiß. In fünf oder höchstens zehn Minuten sind wir wieder da. Indessen nehmen Sie hier das Bündel. Es enthält einige Kleidungsstücke, die Sie gleich hier anlegen müssen, damit Sie nach dem Hotel können. Legen Sie auch den Schleier an, daß man ihr Gesicht nicht deutlich sieht. Also nun gehen wir. Aber wir kommen gleich wieder. Besorgen Sie nichts!“
Ihre Angst war noch nicht beschwichtigt. Sie ergriff Hansens Hand und sagte:
„Wenn man mich nun hier sucht und findet?“
„Oh, es kommt kein Mensch hierher.“
„Das kann man doch nicht wissen.“
„Ich bin vollständig überzeugt, daß Sie hier ganz sicher sind. Wir sind schnell, sehr schnell wieder da. Bis dahin können Sie auf alle Fälle diesen Platz behaupten.“
Sie sah, daß sie sich trotz ihrer Bangigkeit fügen mußte, und ergab sich drein. Die beiden aber eilten nach der Restauration zurück.
VIERTES KAPITEL
Die Befreiung
Dort hatte indessen Sepp sich mit dem Juden unterhalten. Trotz seiner Betrunkenheit verhielt der letztere sich so vorsichtig wie möglich. Wer heimlich gegen die Gesetze handelt, der hat alle Veranlassung, vorsichtig zu sein. Als Max und Johannes sich entfernt hatten, fragte er den Alten:
„Jetzt sind wir allein. Wer sind Sie?“
„Müssen Sie das wissen?“
„Ja“
„Lieber ist's mir, wenn ich es Ihnen nicht zu sagen brauche. Solche Geschäfte macht man gern inkognito.“
„So ist ihre Mühe vergebens. Ich verkehre nicht mit Ihnen. Sie kennen mich, und so muß auch ich Sie kennen.“
„Ist das ihr fester Grundsatz?“
„Geschäftsprinzip!“
„So! Nun, da will ich Ihnen sagen, daß ich pensionierter Offizier bin, Hauptmann.“
„Wo?“
„Ich diente in Bayern, befand
Weitere Kostenlose Bücher