72 Tage in der Hoelle
angehört, und Roberto als hart gesottener Colorado über uruguayische Politik diskutieren, sprühen jedes Mal die Funken. Beide sind Dickköpfe und provozieren sich gern gegenseitig. Die Debatten enden regelmäßig mit einem Patt, aber ganz gleich, wie hitzig es dabei hergeht, immer sind die Gespräche mit Humor gewürzt, und wir anderen haben an dem Schauspiel viel Spaß. Daniel leitet in Montevideo eine erfolgreiche Computer- und Technologiefirma. Zusammen mit seiner Frau Amalia hat er drei nette Kinder.
Pedro Algorta, den engen Freund von Arturo Nogueira, habe ich immer wegen seiner Intelligenz, seines scharfen Verstandes und seiner selbstständigen Denkweise bewundert. Ich sehe ihn nicht so oft, wie ich es mir wünschen würde, denn er lebt in Argentinien und ist dort als Manager eines großen Bier- und Getränkeherstellers tätig. Vor kurzem hat er jedoch in Uruguay eine Ranch gekauft, und ich hoffe, das wird mir die Gelegenheit geben, ihn häufiger zu besuchen. Pedro und seine Frau Noel haben zwei Töchter und einen Sohn; alle drei studieren oder arbeiten im Ausland.
Keiner der Überlebenden war in den Anden so nüchtern und konzentriert wie Bobby François. Ich bin mir sicher, dass er ebenso viel Angst hatte wie alle anderen, aber er war ganz offensichtlich entschlossen, sich seinem Schicksal auf möglichst undramatische Weise zu stellen. »Wenn wir sterben, sterben wir eben«, sagte er immer. »Warum sollen wir deswegen Energie verschwenden?« Mit der gleichen Einstellung führte er sein ganzes Leben, und sie war ihm sehr nützlich. Bobby ist Rancher, und diese Lebensweise der langsamen, einfachen Rhythmen passt zu ihm. Er sitzt den ganzen Tag auf dem Pferd, reitet allein durch die Landschaft und versorgt unter dem weiten Himmel Uruguays seine Herden. Mit seiner Frau Graciana hat er fünf Kinder. Die beiden wohnen die Hälfte der Zeit auf der Ranch, die andere verbringen sie in Carrasco, wo Bobby insbesondere mit Coche und Roy Harley engen Kontakt hat.
Javier Methol war außer mir der einzige Überlebende, der im Gebirge ebenfalls eine Angehörige verlor. Es fiel ihm sehr schwer, sich von Lilianas Tod zu erholen, aber dabei bezog er viel Kraft aus seinem katholischen Glauben und aus der Liebe der vier Kinder, die er mit seiner Frau hatte. Nachdem er jahrelang um sie getrauert hatte, lernte er Ana kennen, seine zweite Frau, mit der er jetzt ebenfalls vier Kinder hat! Er arbeitete viele Jahre als Manager bei einem großen Tabakkonzern – die Firma war von Panchitos Familie gegründet worden -, und jetzt genießt er seinen Ruhestand.
Unter allen Überlebenden war Javier am festesten davon überzeugt, dass die Hand Gottes uns aus dem Gebirge führte. Einmal schrieb er mir: Gott hat uns in den Bergen das Leben wiedergegeben und uns zu Brüdern gemacht. Als wir dachten, du seiest tot, holte Er dich zurück ins Leben, und später wurdest du zusammen mit Roberto Sein Bote auf der Suche nach Rettung für uns alle. Ich bin ganz sicher, dass Er euch in manchen Augenblicken auf Seinen Händen getragen hat ...
Javier und ich haben ganz unterschiedliche Vorstellungen von Gott und der Rolle, die er für unser Überleben spielte. Ich habe allerdings großen Respekt vor seinem demütigen, aufrichtigen Glauben und der Art, wie er nach dem verheerenden Verlust sein Leben wiederaufbaute. Der ruhige, gleichmütige Javier gehört zu den ausgleichenden Kräften in unserer Gruppe, und wenn ich mit ihm zusammen bin, empfinde ich immer ein Gefühl des Friedens.
Antonio Vizintin, der tapfer mit Roberto und mir auf den Berg stieg, musste in seinem Leben viele Herausforderungen und Schwierigkeiten bewältigen. Seine erste Ehe endete mit einer Scheidung, und seine zweite Frau kam auf tragische Weise ums Leben. Jetzt ist er zum dritten Mal verheiratet, und wir beten alle, dass er eine glücklichere Zukunft vor sich hat.Tintin, wie wir ihn noch heute nennen, hat aus seiner zweiten Ehe eine Tochter und einen Sohn. Er ist ein guter Vater und hatte beruflichen Erfolg als Importeur für Chemikalien und andere Rohstoffe der Kunststoffindustrie. Tintin wohnt noch heute in Carrasco, aber er ist ein Einzelgänger, und in den letzten Jahren haben wir ihn seltener gesehen, als wir es uns gewünscht hätten. Dennoch wird er immer einer von uns sein, und wir hätten gern mehr Kontakt mit ihm, auch wenn er seinem Sohn, einem guten Rugbyspieler, das Spielen beim Old Boys Rugby Club gestattet hat, dem Erzkonkurrenten der Old Christians.
Ein
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