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72 Tage in der Hoelle

72 Tage in der Hoelle

Titel: 72 Tage in der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nando Parrado , Vince Rause , Sebastian Vogel
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beide Beine gebrochen und schrie vor Schmerzen, aber niemand konnte etwas für sie tun.
    Auch Fernando Vasquez, einem der Anhänger unserer Mannschaft, konnte niemand helfen. Als Roberto ihn kurz nach dem Absturz untersuchte, wirkte er benommen, ansonsten aber unverletzt, sodass Roberto sich anderen zuwandte. Bei der nächsten Kontrolle lag Vasquez tot auf seinem Sitz. Er hatte sich am Bein unterhalb des Knies eine schwere Verletzung zugezogen, als der Flugzeugpropeller den Rumpf aufschlitzte, und während Roberto anderweitig zu tun hatte, war er verblutet. Unser Mannschaftsarzt Francisco Nicola und seine Frau Esther waren aus ihren Sitzen geschleudert worden und lagen tot nebeneinander vorn im Passagierraum. Susy lag neben der Leiche meiner Mutter. Sie war zwar bei Bewusstsein, litt aber unter Verwirrungszuständen. Blut lief ihr über das Gesicht. Roberto wischte es ab und stellte fest, dass es von einer oberflächlichen Platzwunde stammte, doch er nahm völlig zu Recht an, dass sie wesentlich schwerere innere Verletzungen erlitten hatte. Ein paar Meter weiter fanden sie Panchito, der am Kopf blutete und halb bewusstlos dahindämmerte. Als Roberto sich neben ihn kniete, griff Panchito nach seiner Hand und flehte ihn an, er solle nicht weggehen. Roberto reinigte Panchitos Gesicht vom Blut, redete ihm gut zu und ging weiter. Vorne in der Maschine fanden sie mich: Ich war bewusstlos, mein Gesicht war voller Blut und Blutergüsse, und mein Kopf war bereits auf die Größe eines Basketballs angeschwollen. Er fühlte mir den Puls und war überrascht, dass mein Herz noch schlug. Aber meine Verletzungen erschienen ihm so schwer, dass er mir keine Chance gab, und so ging er mit Zerbino weiter; sie wollten ihre Kräfte für diejenigen aufsparen, denen sie nach ihrer eigenen Einschätzung noch helfen konnten.
    Aus dem Cockpit war ebenfalls ein Stöhnen zu hören, aber die Tür zur Pilotenkabine war durch die Mauer aus verhakten Sitzen immer noch hoffnungslos versperrt. Canessa und Zerbino mussten aus dem Rumpf hinaustreten und sich durch den Schnee zum vorderen Teil des Rumpfes quälen; dort konnten sie dann durch den Gepäckraum ins Cockpit klettern. Ferradas und Lagurara saßen noch angeschnallt auf ihren Sitzen. Der letzte Aufprall auf die Schneewehe hatte die Nase der Fairchild zusammengedrückt und ihnen die Instrumententafel gegen den Brustkorb geschoben, sodass sie an den Rückenlehnen ihrer Sitze wie festgenagelt waren. Lagurara war bei Bewusstsein, hatte aber schwere Verletzungen und entsetzliche Schmerzen. Canessa und Zerbino versuchten, die Instrumententafel von der Brust des Copiloten wegzuzerren, aber sie bewegte sich nicht. »Wir haben Curicó passiert«, murmelte Lagurara, während die Ärzte ihm zu helfen versuchten, »wir haben Curicó hinter uns.« Es gelang den beiden, das Rückenpolster seines Sitzes zu entfernen und so den Druck auf seinen Brustkorb zu verringern, aber viel mehr konnten sie nicht für ihn tun. Um seinen Durst zu lindern, gaben sie ihm ein wenig Schnee zu essen, dann fragten sie, ob sie das Funkgerät der Fairchild benutzen könnten. Lagurara erklärte ihnen, wie sie den Sender einstellen sollten, aber als sie einen Funkspruch absetzen wollten, stellte sich heraus, dass das Funkgerät tot war. Lagurara bat um mehr Schnee; die Ärzte versorgten ihn damit, dann wandten sie sich zum Gehen. Als der Copilot sich seiner hoffnungslosen Lage bewusst wurde, bettelte er die Jungen an, sie sollten ihm den Revolver aus seinem Pilotenkoffer geben, aber Canessa und Zerbino beachteten ihn nicht weiter, sondern begaben sich wieder in den Passagierraum. Als sie aus dem Cockpit kletterten, hörten sie Lagurara murmeln: »Wir hatten Curicó hinter uns. Wir hatten Curicó hinter uns.«
    Wieder im Rumpf, stellte Marcelo im Kopf ein paar grausige Berechnungen an. Wir waren um 15 Uhr 30 abgestürzt. Nach seiner Vermutung würden die Behörden frühestens um 16 Uhr bestätigen, dass die Maschine vermisst wurde. Bis sie den Einsatz von Rettungshubschraubern organisiert hätten, würde es 17 Uhr 30 oder 18 Uhr werden. Die Hubschrauber konnten frühestens um 19 Uhr 30 bei uns sein, und da kein Pilot, der bei klarem Verstand war, nachts in die Anden fliegen würde, konnte die Rettungsaktion frühestens am nächsten Tag anlaufen. Wir würden die Nacht hier verbringen müssen. Das Tageslicht wurde bereits schwächer. Die Temperatur, die schon beim Absturz unter dem Gefrierpunkt gelegen hatte, sank schnell. Marcelo

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