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72 Tage in der Hoelle

72 Tage in der Hoelle

Titel: 72 Tage in der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nando Parrado , Vince Rause , Sebastian Vogel
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Über unseren Köpfen blieb so wenig Platz, dass wir mit nach vorn gebeugten Schultern und dem Kinn auf der Brust schlafen mussten, und dennoch stießen wir mit dem Rücken gegen die Decke. Als ich in dem Gewirr der Körper nach einer bequemen Haltung suchte, spürte ich Panik in mir hochsteigen, und ich musste mich zusammennehmen, um nicht zu schreien.Wie viel Schnee lag über uns? Ein halber Meter? Drei Meter? Fünf Meter? Waren wir lebendig begraben? War die Fairchild zu unserem Sarg geworden? Ich konnte spüren , wie der Schnee von allen Seiten auf uns drückte. Er schirmte uns vom Geräusch des Windes ab und veränderte auch die Geräusche in der Maschine, schuf ein dickes, dumpfes Schweigen und verlieh unseren Stimmen ein schwaches Echo, als sprächen wir am Boden eines Brunnenschachtes. So fühlt es sich also an, wenn man am Meeresboden in einem U-Boot eingeschlossen ist , dachte ich. Trotz der Kälte sammelte sich kalter Schweiß an meinem Kragen. Ich hatte das Gefühl, als wenn die Wände des Flugzeugrumpfes sich um mich schlossen. Alle meine klaustrophobischen Ängste – dass die Berge uns festhielten, dass ich von jeder Fluchtmöglichkeit und von meinem Vater abgeschnitten war – wurden auf eine geradezu absurd-buchstäbliche Weise real. Ich war in einer Aluminiumröhre unter Tonnen von hart gefrorenem Schnee begraben. Als ich so am Rande der Panik stand, fiel mir ein, welch friedliche Zufriedenheit ich unter der Lawine empfunden hatte, und einen Augenblick lang wünschte ich mir, sie hätten nicht mich gefunden, sondern Liliana.
    Die folgenden Stunden gehörten zu den düstersten des gesamten Martyriums. Javier weinte bitterlich um Liliana, und auch fast alle anderen Überlebenden betrauerten den Tod eines besonders engen Freundes. Roberto hatte seinen vertrauten Kumpel Daniel Maspons verloren. Carlitos litt vor allem unter dem Verlust von Coco Nicholich und Diego Storm. Wir alle trauerten um Marcelo und Enrique Platero. Nach dem Tod unserer Freunde fühlten wir uns noch hilfloser und verletzlicher als zuvor. Der Berg hatte uns wieder einmal seine Macht gezeigt, und wir hatten ihm nichts entgegenzusetzen: Wir lagen einfach bibbernd in einem elenden Durcheinander auf unserem harten Bett aus Schnee. Die Minuten dehnten sich, als wären es Stunden. Wenig später begannen einige zu husten oder zu niesen, und mir wurde klar, dass die Luft in dem Rumpf sich verschlechterte. Der Schnee hatte uns derart eingeschlossen, dass wir von frischer Luft abgeschnitten waren.Wenn wir nicht bald für Frischluftzufuhr sorgten, würden wir ersticken. Ich bemerkte, dass die Spitze eines Aluminiumpfostens aus dem Schnee ragte. Ohne lange nachzudenken, zog ich ihn heraus, packte ihn wie eine Lanze, kniete mich hin und begann, das spitze Ende des Pfostens in die Decke zu treiben. Mit aller Kraft rammte ich ihn immer wieder in das Kabinendach, bis es mir irgendwie gelang, die Außenhaut der Fairchild zu durchstoßen. Ich drückte den Stab nach oben und spürte über der Maschine den Widerstand des Schnees, der jedoch irgendwann nachließ. Der Stab stieß ins Freie. Wir waren nicht hoffnungslos begraben. Über der Fairchild lag höchstens ein Meter Schnee.
    Als ich den Pfosten zurückzog, strömte frische Luft durch das Loch, und nachdem wir alle leichter atmen konnten, bildeten wir wieder unser Menschenknäuel und versuchten zu schlafen. Die Nacht schien kein Ende zu nehmen. Als endlich der Morgen dämmerte, hellten sich die Fenster des Rumpfes ein wenig auf – schwaches Licht drang durch den Schnee. Wir vergeudeten keine Zeit mit dem Versuch, uns durch Graben aus unserer Aluminium-Grabkammer zu befreien. Wir wussten, in welcher gekippten Position das Flugzeug auf dem Gletscher lag und dass die Fenster auf der rechten Seite des Cockpits zum Himmel zeigten. Da unser bisheriger Ausgang am Hinterende der Maschine durch viele Tonnen Schnee blockiert war, entschieden wir, dass diese Fenster den besten Fluchtweg boten. Aber auch der Weg ins Cockpit war blockiert. Mit Metallgegenständen und abgebrochenen Kunststoffstücken gruben wir in dieser Richtung. In dem beengten Raum konnte immer nur einer gleichzeitig arbeiten; also wechselten wir uns in Viertelstundenschichten ab: Der Erste löste den steinharten Schnee, die anderen schaufelten ihn zum hinteren Ende des Rumpfes. In dem schwachen Licht konnte ich mich nicht des Gedankens erwehren, dass meine bärtigen, ausgemergelten, zerzausten Freunde aussahen wie Häftlinge, die sich in

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