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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sich jetzt in halber Verlegenheit erhob.
    Er hatte sie schon in der Kirche bemerkt und sich von ihrer Erscheinung seltsam ergriffen gefühlt. Ihre hohe, schöne Gestalt war nicht mit dem hier in der Gegend üblichen, sondern mit dem jenseits der Grenze getragenen Festtagsgewand bekleidet. Der kurze, rot und weiß gestreifte Rock ließ einen hübsch gebauten Fuß frei; um die Taille befand sich eine seidene Schürze, deren zierlicher Schnitt es verriet, daß sie nicht für den gewöhnlichen Gebrauch gefertigt sei; unter dem dunklen Jäckchen blickte das samtene Mieder hervor, dessen Ausschnitt nach der Landessitte das feingefaltete, blütenweiße Hemd freigab, welches sich in schmaler Krause um den schönen Hals legte. Von dem unbedeckten Kopf hingen die mit einer einfachen Feldskabiose geschmückten Haare in zwei langen, dicken Zöpfen bis über die Hüften herab, und die Hände, welche jetzt das Gesangbuch umschlossen, schienen sich noch nie mit gröberer Hausarbeit beschäftigt zu haben. Wer ihr in das Gesicht blickte, hatte keine Zeit, sich bei der Betrachtung der einzelnen Teile desselben aufzuhalten, sondern fühlte sich sofort gefangen von dem Ausdruck der Sanftmut und Herzensgüte, welcher über ihm ausgebreitet lag.
    „Grüß Gott!“ antwortete sie auf seinen Gruß und schlug die langen, verlegenen Wimpern langsam empor, die sich aber sofort wieder über das große, tiefblaue Auge senkten.
    „Sei nicht bös über die Störung, die ich dir bereitet habe!“ bat er. „Ich habe nicht gewußt, daß wer hier ist. Soll ich gehen?“
    „Nein, bleibe nur, denn ich bin's ja, die weichen muß!“
    Sie schlug ihr Auge mit einem wie um Verzeihung bittenden Blick wieder halb empor, und es war ihm, als müßte er die feinen Lider vollends heben, um dieses wunderbare Auge ganz und voll zu erblicken.
    „Warum mußt du weichen? Bitte, sage es mir!“ bat er.
    „Weil dieser Ort nicht mir gehört, sondern dir.“
    „So kennst mich wohl?“
    „Ich sah dich gestern nach der Stadt reiten, als ich auf dem Feld war, und die Magd sagte mir deinen Namen.“
    „So darf ich wohl auch wissen, wie der deinige lautet?“
    „Martha.“
    „Martha?“ wiederholte er, selbst nicht wissend, ob freudig oder schmerzlich überrascht. „So bist wohl gar die Martha vom Feldhof?“
    „Ja.“
    Das eine Wörtchen kam nur langsam und in einem Ton über ihre zögernden Lippen, als müsse sie um Gnade bitten, daß sie die Tochter des Feldbauern sei. Er aber trat näher, ergriff ihre Hand und sagte:
    „So bin ich dir unendlich viel Dank schuldig für die große Liebe und Barmherzigkeit, die du dem Vater und der Mutter erzeigt hast, Martha. Der liebe Gott mag's lohnen, wir können's nicht! Warum bist dieser Tage nicht zu uns hereingekommen?“
    Sie schwieg.
    „Darf ich's nicht wissen?“ fuhr er fort.
    „Ich kann's nicht sagen.“
    „Und eine Ausrede magst auch nicht machen, denn das wäre eine Lüge, und dazu bist du zu brav und stolz, nicht wahr? Aber laß gut sein, Martha; ich weiß doch, was du nicht sagen willst! Der Vater hat dir's verboten. Ist es so oder anders?“
    Sie nickte nur mit dem Kopf, schaute aber jetzt voll und groß zu ihm empor mit einem Blick, in welchem er eine hinter der Verlegenheit verborgene Anklage zu lesen meinte.
    „Hätte ich gewußt, was ich heute nun weiß“, entschuldigte er sich daher unwillkürlich, „so wäre der Angriff des Feldbauern nicht in der Weise abgewehrt worden, wie es geschehen ist. Aber sag, hat er dir schon auch vorher verboten, nach dem Bachhof zu gehen?“
    „Ja.“
    „Schaust, Martha, was ich meine! Und dennoch bist herübergegangen? Warum bleibst alleweil jetzt davon? Die Mutter hat immer großes Sehnen nach dir, und du kannst ihr große Freude bereiten, wenn du bald mal vorsprechen magst. Darf ich ihr sagen, daß du kommen willst?“
    „Ich weiß noch nicht!“
    „So weiß ich jetzt, warum! Als ich nicht daheim war, hast den Bachhof besucht, nun ich aber nach Hause gekommen bin, bleibst hinweg. Ich allein bin die Schuld; du magst mich nicht leiden. Lebe wohl, Martha; das tut mir weh!“
    Er ließ die Hand fahren und wandte sich zum Gehen.
    „Frieder!“ bat sie.
    Er drehte sich wieder zu ihr herum. Sie sprach weiter:
    „So habe ich's nicht gemeint! Deine Eltern sind mir nicht gram, daß mein Vater solche Feindschaft hegt; denn ich kann ja nichts dafür. Von dir aber habe ich nicht gewußt, ob auch du so denkst wie sie; darum wollte ich erst sehen, ob ich auch darf vor

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