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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Kränzchen und Brunnenversammlungen, das bayerische Dorf im Gebirge seine Spinnstuben und das sächsische seine Gottesackerversammlungen, auf welchen Mann und Weib, alt und jung Gelegenheit findet, sich auszusprechen über alles, was das Herz bedrückt oder die Neugier befriedigt. Zweierlei beschäftigte heute die Zungen ganz besonders: die Rückkehr des Bachfrieder, und der seltene Umstand, daß der Feldbauer nicht in der Kirche gewesen war. Daß beides im engen Zusammenhange stand, wußte man bereits, nur hielt man eine eingehende Erörterung für notwendig, aus welchem Grund sich ein zahlreicher Kreis von Zuhörern um Baldrian, den Kutscher des Bachbauern, versammelte, welcher an der Kirchenmauer lehnte und mit wunderlichen Gestikulationen sein Erlebnis erzählte.
    „Ja, es war nur eine halbe Stunde vorher, da hat ihn mein Bauer einen Knirps genannt, und er ist ganz still dazu gewesen. Jetzt auf einmal kommt er über den Feldbauer wie Simson über die Pharisäer, oder wie die Leute und das Dorf zur damaligen Zeit geheißen hat. Das war grad, wie wenn die Bulldogge über die Maus gerät; da gibt's weder Widerstand noch Rettung; sie wird einfach zu Tode gebissen und dann aufgefressen.“
    „Hat sich denn der Feldbauer nicht gewehrt?“ fragte man.
    „Gewehrt? Wo denkt ihr denn hin? Gewollt hat er's vielleicht, aber er ist ja gar nicht dazugekommen, denn der Frieder ist so unverhofft und schnell über ihn hergefallen und hat auf ihm gelegen wie der Amboß auf der Mücke, daß er nur ein wenig mit den Beinen wackeln konnte, weiter nichts.“
    In seinem Eifer gab der gute Baldrian der Sache etwas mehr Farbe, als unumgänglich nötig war.
    „Ihr hättet nur das Gesicht sehen sollen, auf dem die Peitsche gearbeitet hat wie das Graupelwetter auf dem Dach. Da ist Hieb auf Hieb und Schlag auf Schlag gekommen, und die Schwiele, die ich hier über die Nase vom Feldbauer bekommen habe, hat mehr als hundert Prozent getragen. Der Feldbauer hat nachher auch gar nicht daran gedacht, sich nochmals an uns zu vergreifen, sondern ist langsam aufgekrabbelt und dem Schimmel nachgehinkt, als wir davonfuhren.“
    „Also darum kommt er nicht in die Kirche, weil ihm das Gesicht gezeichnet ist. Ihm ist ganz recht geschehen, und nun wird er wohl nicht mehr so prahlig tun mit seiner Körperstärke, da er den Meister gefunden hat.“
    „Er mag sich nur auch ferner fein hübsch in acht nehmen vor dem Frieder; den habe ich in den paar Tagen ganz genügsam kennengelernt. Er ist so gut und fromm wie ein Lamm, aber wenn man ihn bei der Galle angreift, so mag man nur immer schnell um die Ecke springen. Ihr solltet nur mal sehen, wie lieb und lind er ist! Die Mutter hat er stets beim Kopf, und den Vater trägt er auf den Händen. Dazu greift er wacker an, wo es nur immer Arbeit gibt, und nämlich wie, das ist die Sache! Im Hof, da lag ein Klotz, der Bretter geben sollte; drei Männer konnten ihn kaum herschleppen; er aber hat ihn aufgenommen und vors Tor geschafft, als ob es ein Schaufelstiel sei oder so was Ähnliches. Den Stier nimmt er bei den Hörnern und drückt ihm den Kopf zu Boden, daß er sich nicht zu rühren vermag. Und bei dieser Gütigkeit und Stärke ist er gelehrt und geschickt, daß man sich nur wundern muß. Er hat nach Maschinen geschrieben und nach anderen Dingen, von denen unsereiner nicht mal den Namen kennt, und dem Bauer einen Plan über den Feldbau vorgelegt, nach dem das Land grad um die Hälfte mehr bringen muß als früher.“
    „Ja, klug ist er und geschickt dazu, sonst hätte er ja gar nicht die Universität überstanden!“
    „Das Dorf hat noch niemals einen so studierten Herrn und klugen Bauern gehabt, und wir müssen also stolz auf den Frieder sein, der bewiesen hat, daß es bei uns auch Leute gibt, die nicht auf den Kopf gefallen sind. Wie er heute die Orgel gespielt hat, so was Schönes ist hier noch gar nimmer gehört worden; der Kantor ist das reine Nichts gegen ihn. Seht, dort kommen sie beide vom Chor herab!“
    Frieder wurde von allen seinen Bekannten, denen er bisher noch nicht begegnet war, mit Enthusiasmus begrüßt; er hielt sich aber nicht lange bei ihnen auf, sondern schritt dem stillen Winkel zu, wo sich die gelösten Grabstätten der Bachbauern befanden. Der Platz war von tief herabzweigenden Trauerweiden beschattet, unter denen eine Steinbank stand, deren Sitz mit weichem Moos bekleidet war. Als er die Zweige auseinanderschlug, fiel sein Blick auf ein Mädchen, welches hier gesessen hatte und

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