73 - Der Dukatenhof
Züchtigung, die er von dem Jüngling erhalten hatte. Sie entstellten ihn mehr als bis zur Häßlichkeit, so daß ein Wegbleiben von der Kirche gar nicht zu verwundern war. Es mußte eine sehr dringliche Angelegenheit sein, die ihn in den Wald geführt hatte.
„Weiche aus, Bube“, kommandierte er, „heute geht's anders als vorher!“
„Ja, heute weiche ich aus, aber nicht, weil Ihr's gebietet, sondern aus ganz anderem Grund“, antwortete Frieder.
„Den Grund kennt man schon! Leute unvermutet überfallen, das kann jeder, aber wenn er offen angeredet wird, da geht nur ein Lump oder Feigling auf die Seite.“
Frieder trat ruhig auf ihn zu, legte ihm die Hand schwer auf die Schulter und sah ihm mit blitzenden Augen in das blaurotangeschwollene Gesicht. Es lag dabei etwas in ihm, was der Bauer nicht zu erklären vermochte, ihn aber abhielt, den allerdings auch nur vielleicht beabsichtigten Kampf zu beginnen.
„Feldbauer, Ihr habt wohl kein Verständnis für andere und viel bessere Gründe, wegen deren man einer Rauferei ausweicht. Und was den Lump und Feigling betrifft, so kann nur ein solcher es unternehmen, einen Blinden, der sich nicht zu wehren vermag, mit der Peitsche traktieren zu wollen. Das muß ich Euch sagen, und nun gehabt Euch wohl!“
Der Bauer schob die Tabakspfeife, welche er bisher im Mund behalten hatte, schnell in die Tasche, faßte ihn am Arm und schrie ihn an:
„Ihr habt noch mehr verdient als die Peitsche, ihr alle beide. Nimm dich nur in acht, daß du dem Waldschwarzen nicht auch in die Hand gerätst, sonst wirst mich gar nimmer lange mehr sehen. Hier hast du den Trumpf drauf!“
Er schlug mit der Faust nach dem Gesicht Frieders, dieser aber parierte den Hieb und faßte dann die beiden Arme des Gegners mit einer Gewalt, daß dieser einen Laut des Schmerzes ausstieß.
„Feldbauer, ich habe Euch schon gezeichnet, und Ihr wißt es ganz genau, daß ich mich nicht vor Euch fürchte. Aber ich werde Euch doch aus dem Weg gehen, so gut ich kann, denn der Klügste gibt nach. Erhebt Ihr aber den Arm nur noch ein einziges Mal gegen mich, so schlage ich hin, wo sich's gehört, und dann seid Ihr –“
Er ließ ihn los, um seinen Weg fortzusetzen. Die Ruhe des Waldes gab seiner Stimmung schon nach kurzer Zeit das verlorene Gleichgewicht wieder, und der Groll wich den freundlichen Regungen, welche die Begegnung mit Martha in ihm zurückgelassen hatte. Den Blick nachdenklich zur Erde gesenkt, gewahrte er plötzlich eine Schlange, welche sich quer über dieselbe schlängelte. Er folgte ihr zwischen die Büsche, um sie zu ergreifen, doch machte das hohe Heidekraut ihm das so schwierig, daß sie ihm zwischen einigen Steinen entkam, welche einen jener Witterstöcke bildeten, die man häufig in den auf felsigem Boden stehenden Wäldern findet. Er hob den ziemlich schweren Granit in die Höhe und gewahrte – nicht die Natter, sondern einen Zettel, welcher auf dem plattgedrückten Boden lag. Auch ohne ihn aufzuheben, konnte er deutlich die mit Bleistift geschriebenen Worte lesen: ‚Beim alten Stollen um zwölf!‘
Was war das? Er untersuchte den seltsamen Fund. Das Papier war weiß und sauber, als käme es erst aus dem Laden, und da der Boden hier ziemlich feucht war, so konnte es nur seit kurzer Zeit erst hier liegen. Er brachte den Zettel an seinen Ort zurück, gab dem Stein genau die frühere Lage und warf dann einen forschenden Blick auf die Umgebung.
Nur einige Schritte von ihm entfernt, hatte der Stößer eine Taube zerrissen; die Federn lagen auf dem Boden zerstreut und einige von ihnen in der unmittelbaren Nahes des Steins. Die letzteren waren im Gebrauch gewesen, wie sich gleich beim ersten Blick zeigte; es hatte jemand die Tabakspfeife mit ihnen gereinigt, wie sich aus dem Geruch erkennen ließ.
„Der Feldbauer!“ stieg es in Frieder auf, und sofort folgte eine andere Ahnung, die ihm das Blut in die Schläfen trieb, so daß er es dort vernehmlich pulsieren fühlte.
„Nimm dich nur in acht, daß du dem Waldschwarzen nicht auch in die Hand gerätst, sonst wirst mich gar nimmer lange mehr sehen“, klang es ihm auf einmal wieder vor sein Ohr und –
Er konnte den Gedanken nicht ausdenken; ein leises Rascheln ließ sich aus der Richtung des Pfades her vernehmen, und er hatte kaum Zeit, sich unter einem jungen Tannenwuchs zu verbergen, so trat ein Mann zwischen den Büschen hervor, hob den Stein ein wenig, warf einen Blick auf den Zettel und verschwand dann so schnell wie er gekommen
Weitere Kostenlose Bücher