73 - Der Dukatenhof
erfahren: Er hat meine Mutter nicht bekommen und kann darum sie und den Vater nicht leiden. Ich bin ihm in dem Wald begegnet, und er hat mich beschimpft und mit mir raufen wollen.“
„Hast mitgetan, Frieder?“ fragte sie mit ängstlicher Schnelle.
„Nein! Ich habe an dich gedacht, den Schlag abgewehrt und bin dann fortgeeilt.“
„Frieder, willst mir was versprechen?“
„Ja, wenn sich's mit meiner Ehre verträgt.“
„Bitte, gehe ihm aus dem Weg; tue mir's zuliebe!“
„Ich werd's tun; das habe ich ja um deinetwillen heute schon getan. Ich kann mir denken, daß ihr gar viel zu erdulden habt, und ich will euch nicht noch größeren Gram bereiten.“
„Ach ja, Frieder, wenn du wüßtest, wie der Vater ist! So hart, so finster, so ganz ohne Herz und Gemüt! Ich sage nur wenig, und das wenige sogar würde ich verschweigen, wenn's mein rechter Vater wäre. Ich war noch jung, kaum aus der Schule, als er kam und die Mutter zur Frau begehrte. Ich konnte ihn nicht ansehen und meinen toten Vater nicht vergessen; darum habe ich geweint und gefleht, aber es hat nichts geholfen, denn der Oheim hat die Mutter gezwungen, ja zu sagen.“
„Gezwungen? Hat er das Recht und die Macht dazu?“
„Das Recht wohl nicht, aber die Macht. Er ist ein großer Kaufmann drüben über der Grenze, und der Feldbauer ist oft gekommen und hat große Rechnung mit ihm gehabt und viel Geld von ihm empfangen. Wir haben seit dem Tod des Vaters bei ihm gewohnt, und ich bin grad wie das Kind gewesen, bis mich der Bauer fragte, ob ich nun auch mal seine Tochter sein möchte. Ich habe mich gesträubt und die Mutter auch, der Oheim aber hat gemeint, er gehe zugrunde, wenn sie es nicht tue. Der Bauer hat ihn bei der Hand gehabt, weshalb, das weiß ich heute noch nicht, und um den Oheim zu erretten, ist sie endlich mitgegangen. Nun hat sie nichts als Gram und Tränen, und ich bin so angst, daß sie es nicht verwinden kann. Frieder, ich habe in meinem Leben noch niemals wem ein Leid getan, aber den Vater, den Feldbauer, den – den – den verabscheue ich! Ja, ich verabscheue ihn, denn er kommt mir nicht anders vor, als der böse Geist, dem die Mutter und ich verschrieben sind, damit er uns statt Glück und Frieden nur Gram und Qual bereite!“
Sie gab sich ihren so lange zurückgehaltenen Gefühlen hin und merkte kaum, daß sie offener sprach, als es vorher ihre Absicht gewesen war. Ihre Worte hatten für Frieder einen geradezu kostbaren Wert, auch abgesehen von dem rückhaltlosen Vertrauen zu ihm, welches sie so deutlich bekundeten. Er ließ sie aussprechen, dann versuchte er den besten Trost, den er einem Charakter wie dem ihrigen zu geben vermochte.
„Weißt, Martha, daß auch die böseste Sache eine gute Seite besitzt?“
„Welche?“
„Die sehe ich ganz genau, sie steht vor mir.“
Sie blickte ihn fragend an.
„Wieso?“
„Du bist's ja selber! Schau, wenn ein großes Leid ins Herz niedersteigt, so bleibt's nicht leer und hohl, sondern es wächst in der Seele ein Kristall nach dem anderen und leuchtet hinauf und hinaus. Es sprießen tausend Blumen auf, die nicht verwelken und vergehen; aus jeder Träne wird eine Perle, und jeder Pulsschlag wirft einen Diamanten hervor. Der Pflug der Leiden tut dem Acker weh, aber die Ernte ist unsagbar reich und köstlich. Sie wächst und reift verborgen und tritt zutage, wenn sich die Liebe naht, um den Strahl auf sie zu werfen. Wer solch ein Herz besitzen darf, der gibt's nicht hin für Millionen, denn jeder Blick, den es durchs Auge wirft, jedes Wort, das es durch die Lippen spricht, und jede Tat, die es mit der Hand beginnt, ist fromm und rein wie der Gedanke, der in ihm wohnt. Da ist nicht eine Spur von Falschheit, Trug und Täuschung; da gibt es nichts von Tand und Flitterwerk, das nur die Leerheit deckt und zur Verachtung führt, sondern alles ist echt und wahr und lauter. Gib mir dies Herz oder allen Reichtum, alle Macht und Ehre der Welt, so werfe ich das fort und nehme das Herz fest und laß mir's nimmer rauben. Auch bei dir ist das Leid früh eingekehrt, und du hast bisher nur die schlimmere Seite erkannt, ich aber sehe die reiche Ernte schon kommen und preise unendlich glücklich den, dessen Auge den Sonnenstrahl dir spenden darf!“
„Frieder!“
Sie sprach nur das eine Wort, aber der Atemzug, der es durch ihre Lippen trug, kam aus der tiefsten Tiefe ihres Innern und klang so voll und lang, als wolle er ihm ihre ganze Seele entgegenhauchen. Sie legte ihr tiefgesenktes
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