73 - Der Dukatenhof
seitwärts über den Bäumen stehende Mond nicht zu erhellen vermochte; ihr folgte bald eine zweite, eine dritte. Und es konnte noch nicht ein Uhr geschlagen haben, so hatte er wieder gegen zwanzig gezählt, wie am Nachmittage.
Jetzt herrschte eine geraume Weile tiefe Stille ringsumher; dann begann es sich unten wieder zu regen; einer nach dem andern stiegen die Männer aus dem Dunkel empor, der erste als Führer und Lauscher ohne Last, die andern aber alle mit schweren Paketen beladen, den Knotenstock in der Faust, das Messer an der Seite und die Büchse nach vorn über den Nacken gehängt. Nur einen Augenblick lang blitzte hinter dem letzten ein Lichtstrahl auf, welcher aus dem Stollen kam, dann war es wieder finster.
Als die Schritte der Schmuggler verschollen waren, erhob sich Frieder. Er hatte für heute genug erfahren und mußte jetzt von allem Weiteren absehen, da die Untersuchung des Trichters nur am Tage vorgenommen werden konnte.
„Waldschwarzer, deine Herrschaft ist bedroht! Dein größter Feind ist hinter dir her, und du entgehst ihm nicht, denn der Zweig am Hut bringt ihm Glück und Schutz!“
Dieselbe Vorsicht wie vorher anwendend, kehrte Frieder in das Dorf und zum Bachhof zurück. –
Eine volle Woche war vergangen; sie hatte Abwechslung in das Dorf gebracht. Die Kunde von der Ermordung Franzens und der Blendung seines Vaters war zur Behörde gelangt, welche einsah, daß mit den bisher verfügbaren Kräften dem Treiben der Verbrecher nur schwerlich Einhalt getan werden könne. Man beschloß daher, energische Maßregeln zu ergreifen, und schickte ein Kommando Soldaten in die Berge, um im Anschluß an das Forst- und Grenzpersonal dem Waldschwarzen, auf dessen Ergreifung, tot oder lebendig, ein namhafter Preis gesetzt wurde, das Handwerk zu legen. Frieder hatte sich frühmorgens wieder in den Wald begeben, um den Trichter einer möglichst genauen Untersuchung zu unterwerfen, war aber nicht auf die geringste Spur eines verborgenen Eingangs gekommen. Von da ging er zum Förster, um ihm die gestern ausgesuchten Spannhölzer zu bezahlen.
„Weißt auch, daß wir Besuch bekommen?“ fragte dieser, als das Geschäft abgeschlossen war.
„Was für einen?“
„Einen gar willkommenen für unsere Mädels – Militär.“
„Ah! Wozu?“
„Wegen des Waldschwarzen. Ich habe schon gestern die amtliche Benachrichtigung erhalten und war vorhin beim Ortsvorsteher, der es auch schon weiß und soeben die Quartierliste angefertigt hat. Zu uns nach Rothenwalde her kommen zwanzig Mann unter einem Feldwebel, der zum Feldbauer gelegt wird.“
„Zum Feldbauer? Warum zu dem?“
„Weil er da draußen möglichst unbeachtet wohnt und ihn nicht jedermann belauern kann. Er selber hat darum gebeten und kann also nicht ganz unbekannt hier sein.“
„Man wird wohl nur solche Leute herschicken, die in der Nähe zu Hause sind; das ist bei ihrer Aufgabe ein großer Vorteil, den man nicht versäumen darf.“
„Es wird doch nicht der Buschwebel sein? Der Brief war unterschrieben, daß man den Namen gar nicht lesen konnte.“
„Wer ist das, der Buschwebel?“
„Das ist der zweite Sohn vom Buschbauer in Steinertsgrün. Er ist der wildeste Bube gewesen im ganzen Gebirge und hatte sich mit seinem Vater so vollständig zerschlagen, daß er vor Ärger freiwillig zum Militär ging. Dazu hat er ganz gut gepaßt, immer lustig und fidel, leicht im Sinn, aber gewandt im Dienst und dazu ein hübscher Bursche, dem jeder gut sein muß, der die Wildheit nicht kennt, die still verborgen in ihm wohnt. Wenn's aber darauf ankam, ist er drauf und dran gegangen, wie der böse Feind, und hat es auf diese Weise bis zum Feldwebel gebracht!“
„Darum nennt man ihn hier, den Namen und Grad zusammenfassend, den Buschwebel?“
„Ja, darum! Bei seinen Vorgesetzten ist er hochbeliebt, weil sie wissen, daß er gradewegs in die Hölle hinuntergeht, wenn sie ihn schicken, und darum hat man grad ihn und keinen andern zum Grenzdienst auserlesen. Mir ist dies gar nicht sehr genehm, denn ich weiß vorher, daß ich nicht gut mit ihm auskomme, und doch gebietet's der Dienst, daß wir gar oft mit ihm verkehren.“
„So kennst ihn schon persönlich?“
„So ziemlich. Er steht in der Kreisstadt und kam nach Steinertsgrün auf Urlaub. Sein Vater ist jetzt stolz auf ihn und hat sich völlig mit ihm ausgesöhnt. Dort hat er mal die Martha vom Feldhof gesehen, die da Gevatter war, und ist ihretwegen herübergekommen auf ein paar Tage. Da ist's gar
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