73 - Der Dukatenhof
aber ich bin es nicht. Es ist etwas ganz anderes! Mein Haus, der Körper, hat zwei Herren. Ich bin der eine, dem es gehört, der es erhalten will. Der andere tut alles, um es zu zerstören, um mich zu vernichten. Ich begegne ihm nie; ich kann ihn nicht erwischen. Aber sobald ich nur den Rücken wende, ist er da, denn er lauert Tag und Nacht vor meiner Tür und nimmt jeden Augenblick zusammen, um zu tun, was mich in Schaden bringt. Er liest meine Geschäftsbücher durch. Er durchstöbert mein ganzes Etablissement. Er verschenkt, was ich mit Fleiß erworben habe. Er vernichtet meinen guten Namen. Er spielt mit falschen Kartenspielern um hohe Summen. Er jagt mein gutes Gesinde fort und holt mir schlechtes dafür herein. Ganz und genauso, wie ich es mit – mit – mit ihm gemacht habe, als er noch lebte! Er hat es sogar so weit gebracht, daß meine Tochter nichts mehr von mir wissen will, weil das auch meine Absicht bei der seinen war! – Das Fürchterlichste dabei ist, daß ich alles anerkennen, bekräftigen und ausführen muß, weil er es in diesem meinem Körper tut. Er spricht mit meinen Lippen. Er gibt mit meiner Hand. Er schreibt mit meiner Feder! Ich bin ihm preisgegeben mit allem, was ich bin und was ich habe. Mein Haus, mein Geschäft, mein Vermögen befindet sich in seiner Gewalt. Er spielt mit meiner Seele und treibt mit meinem Geist Allotria! Bei jeder Heimkehr fühle ich, daß er da oben im Gehirn nach jedem Gedanken geforscht hat, den ich nicht mitgenommen habe, als ich gegangen bin. Vor allem eines will er wissen, was ich verschweigen muß, nämlich das Messer, das Messer – wohin ich es versteckt habe! Wenn er das erfährt, so geht er in diesem meinem Körper in den Busch hinaus und nimmt es unter der Klafter Holz heraus. Hierauf kommt er heim, stellt sich an den Schenktisch, wo er sich erstochen hat, und stößt es sich vor allen Leuten in die Brust. Dann heißt es überall: Der Musterwirt ist ganz genau so als Selbstmörder in die Grube gefahren, wie der Neubertbauer es ihm befohlen hat, der – Neu – Neu –! Wie das wühlt! Ich fühle ihn –! Er steht schon hinter mir! Wer kann mir von ihm helfen? Der Pfarrer? Nein; ich beichte nicht! Der Lehrer? Nein, ich gestehe nie etwas! Die Rosalia! Sie ist die einzige, die allereinzige, bei der ich mich so stark und kräftig wie früher fühle, wenn ich sie bei mir habe! – Jetzt lege ich mich nieder. Ich muß schlafen – wenn ich kann. Aber das Licht lösche ich nicht aus; das muß brennen bleiben, denn – denn – ich fürchte mich! Mögen die Leute denken, was sie wollen, wenn sie es sehen!“
Er brauchte in diesem Fall sich um die üble Nachrede nicht zu ängstigen. Seine beiden hellen Fenster wurden nur von einer einzigen Person bemerkt, und diese Person war das Karlinchen. Sie schaute, während sie sich an dem Kohl gütlich tat, zuweilen zu ihm empor. So kam es, daß sie ihn stehen sah, als seine Tochter von ihm gegangen war. Ziegenaugen sind bekanntlich scharf. Sie erkannte ihn sofort.
„Das ist ja Herr Frömmelt!“ dachte sie. „Ich glaube gar, daß dies hier sein Garten ist! Mir gerade recht! Wegen dem brauche ich mir kein Gewissen zu machen, denn er hat auch keins. Und wenn er eins hätte und es käme zu uns an das Brückle, ich würde es anrennen und in das Wasser stürzen, daß es auf der Stelle ersaufen müßte! Ob ich ihm wohl einen Streich spielen könnte? Halt, ich hab's! Da drüben sind seine Blumenbeete; die Reseda riecht herüber. Kohl schmeckt zwar besser, und ich bin schon satt, daß ich fast nicht mehr kann, aber ich gehe doch noch hinüber und fresse ihm seine ganzen Aurikel weg. Das soll ihn wohl erbosen!“
Dieser Vorsatz klang zwar nicht allzu schön, aber sie führte ihn trotzdem aus. Als es zwei Uhr schlug, hatte sie den ganzen Aurikelflor so vollständig intus, daß sie kaum mehr Atem holen konnte.
„Das nenne ich gekaut!“ sagte das, was in ihr steckte, zu ihr. „Wenn meine Haut von Papier wäre, so müßte ich zerplatzen. Die Aurikel schmeckten zwar scharf bitterlich, und ich weiß noch nicht ganz genau, ob sie sich mit dem Kohl vertragen werden, aber wenn man Herrn Frömmelt etwas zuliebe tut, so soll man nicht nach solchen Dingen fragen! Es scheint, ich bin ganz kugelrund. Die Beine wackeln. Sie sind solche Lasten nicht gewöhnt. Aus dem Revidieren wird heute wohl nichts werden. Ich will lieber machen, daß ich nach Hause komme. Bett ist Bett!“
Sie versuchte, zu gehen. Es ging ungeheuer
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