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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Es war, als ob man ihm nicht widerstehen könne. So wirkte er auch auf den Lehrer. Dieser gab ihnen allen die Hand und entfernte sich. Der Musterwirt sah ihm eine Weile nach und wandte sich dann an die Tochter des Neubertbauers:
    „Anna, es wird nachher die Sehnsucht wieder über dich kommen. Du gehst nach dem Gasthof, gleich die Treppe hinauf, in die Stube des Wirtes. Du läßt dich von niemand abhalten. Du sagst, Herr Frömmelt habe dich hinaufbestellt. Wenn dieser die Tür verriegelt hat, so läßt du ihm keine Ruhe. Er muß, muß öffnen. Wenn er nicht will, so drohst du ihm, du werdest sonst sofort zur Polizei gehen, wegen der Quittung, welche seine Tochter in den Händen habe. Da wird er dich einlassen. Dann schaust du ihm in die Augen und sprichst mit ihm, bis er sich in mich verwandelt hat. Das Weitere wird sich finden. Du hast mir treu gehorcht, du liebes, gutes Mädchen. Es war wohl manchmal schwer, doch nun bekommst du auch das Allerletzte, was dir der Wirt noch schuldig geblieben ist.“
    Er zog sie an sich, drückte seine Lippen auf ihr Haar und wollte gehen. Da kam das Karlinchen aus dem Stall.
    „Du willst mich wohl bis zu dem Brückle schaffen?“ fragte er sie. „Na, so komm! Die Luft ist wieder rein!“
    Sie lief an seiner Seite, als ob sie zu ihm gehöre. Unten am Wasser liebkoste er sie und sprach noch etwas zu ihr. Dann ließ er sie allein. Die Frauen sahen, daß er nicht direkt nach dem Gasthof ging, sondern sich am Bach aufwärts wandte. Er wollte einen Umweg machen. Warum, das wußte er genau.
    Nach einer halben Stunde kam er das Dorf herunter. Man grüßte ihn, doch ganz anders als sonst.
    „Wie schaut man mich doch nur an!“ dachte er. „Als ob etwas geschehen sei! Aber was? Warum bin ich nicht daheim? Wo bin ich gewesen? Als ich mich auf mich besann, stand ich auf der Waldwiese und schaute in das Wasser. Wenn das so weitergeht, da muß ich mich selbst auch für wahnsinnig halten, wie die anderen wohl schon tun, obgleich es bisher falsch gewesen ist!“
    Als er den Gasthof erreichte, standen viele Neugierige da, die ihm in scheuer Höflichkeit Platz machten. An der Tür lehnte einer seiner Tagelöhner, der ihnen augenscheinlich etwas erzählt hatte.
    „Wir haben sie hinaufgeschafft in Ihre Stube“, meldete dieser nun seinem Herrn. „Sie liegt in Ihrem Bett.“
    „In meinem Bett? Wer?“ fragte der Wirt.
    „Na, doch Fräulein Rosalia. Sie haben es doch befohlen!“ antwortete der Mann verwundert.
    Der Wirt griff sich an den Kopf und sah den Taglöhner wie abwesend an. Er ahnte, daß er schon wieder etwas getan habe, wovon er jetzt nichts mehr wisse. Warum diese vielen Leute? War es etwas Schlimmes? Es packte ihn die Angst. Er trat schnell in das Haus und eilte die Treppe hinauf. Droben war es, als ob ihm jemand die Augen zumache. Er trat ein, riegelte von innen zu und schlug sie dann wieder auf. Er sah seine Tochter lang ausgestreckt auf dem Bett liegen. Sie hatte ein Papier in den zusammengelegten Händen und stierte ihn mit weitgeöffneten Augen an, grad wie damals der Neubertbauer. Sie war tot. Ihr Anzug triefte noch. Das Oberbett, auf dem sie lag, war, wie man im Gebirge zu sagen pflegt, vollständig fadennaß.
    „Sie hat sich ersäuft, ersäuft!“ brüllte er auf, stürzte sich auf sie zu und sank vor dem Bett nieder.
    Hierauf war es still in der Stube. An der Glastür wurde der Vorhang leise von innen bewegt. Nach einiger Zeit raffte er sich langsam, langsam wieder auf. In seinem Gesicht arbeitete das sprachlose Entsetzen. Er griff nach dem Zettel, um ihn zu lesen. Als er dies getan hatte, ballte er ihn krampfhaft zusammen. Es sah aus, als ob er dabei die Hände ringe. Dann ließ er ihn auf den Boden fallen.
    „Ich hätte kein Gewissen mehr!“ rang es sich aus seiner Brust. „Ich könnte dir nun nicht mehr beichten! Und grad auf dich habe ich mich verlassen, auf dich allein, allein! Warum hast du mir das getan – warum?“
    Er wandte sich von ihr ab und begann, in der Stube hin und her zu gehen, mit unsicheren Schritten, fast taumelnd. Zuweilen blieb er stehen, um das Gesicht in beide Hände zu vergraben. Wollte er weinen? Es kam keine Träne, keine einzige. Dann rief er plötzlich laut und kopfschüttelnd aus, indem er die Hände dabei zusammenschlug:
    „Nicht in das Wasser, sondern auf das Bergle hast du das Geld getragen! Sogar den neuen Lochtaler auch dazu! Und dir für mich, für mich die Quittung geben lassen, für mich, für mich! Also du hast gelogen! Hast mir

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