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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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entscheidet! Welchem Staatsanwalt soll der Mörder des Musterantons übergeben werden? Mir? Oder dem Anwalt beim Gericht in der Stadt?“
    Sie antworteten nicht. Es wäre ihnen unmöglich gewesen, auch nur eine Silbe zu sagen. Sie schlangen die Arme umeinander, um sich zu stützen. Aber sein Auge ruhte so mächtig fragend auf ihnen, daß die Mutter schließlich doch ihre Scheu überwand und sich die Kraft zu den wenigen Worten nahm:
    „Nichts von der Polizei! Der Himmel mag ihn richten!“
    „Der Himmel!“ sagte der Musterwirt, indem er seine Augen dorthin erhob, wo die Morgensonne, jetzt über den Bergen stand.
    „Der Himmel! Der hat aber Gnade! Selbst für den schwersten Missetäter! Nun fordert er, daß er seine Schuld bereue. Bist du damit einverstanden? Der Anton läßt dich fragen, Maria!“
    „Ja“, antwortete sie, so tief ergriffen, daß sie laut schluchzend weinte.
    „So segne dich der Himmel, an den du dich gewendet hast! Denn du hast – dadurch etwas getan – was ich nicht für möglich hielt! Du hast mich überwunden, mich, mich, mich, den – Neubertbauer. Was ich gesprochen habe, mit dem Messer in der Brust – das muß geschehen; das ist nicht zu ändern. Aber die Qual, die Qual, die fürchterliche Qual, an der er lange, lange leiden und dann sterben sollte, die sei ihm abgekürzt! Jetzt wartet hier, nur eine ganz kurze Zeit!“
    Er entfernte sich über das Brückle hinüber. Als er wiederkam, hatte er ein Taschentuch in der Hand, mit etwas Schwerem darin.
    „Das ist das echte falsche Geld, welches ich der Rosalia jetzt abgenommen habe. Und den falschen echten Taler mit der Perle, den sie nachgemacht haben, um die Polizei zu täuschen, habe ich hinzugelegt. Habt ihr Papier im Haus? Und Tinte auch und Feder?“
    „Ja“, antwortete die Mutter.
    „So sollt ihr dieses Geld wiederbekommen. Warum, das ist meine Sache. Und du gibst mir eine schriftliche Quittung, welche ich dir diktieren werde. Kommt mit herauf an den Tisch!“
    Sie folgten ihm. Das Nötige wurde herausgeholt. Dann diktierte er der Mutter folgendes:
    „Fräulein Aurelia Uhlig, welche das Gewissen ihres Vaters ist, hat mir die gestohlenen fünfzig Taler meines ermordeten Mannes wiedergebracht. Als Zinsen legte sie den Lochtaler hinzu, mit welchem die Polizei betrogen werden sollte. Dann ging sie in den Tod. Der Musterwirt hat also kein Gewissen mehr. Er kann nicht einmal seiner Tochter beichten!“
    Als sie ihren Namen daruntergesetzt hatte, nahm er das Blatt, las es durch, sah die Frauen eine nach der anderen lächelnd an und fragte:
    „Nicht wahr, das ist verrückt? Vollständig verrückt?“
    Sie antworteten nicht. Denn in diesem Augenblick kam der Herr Lehrer in eiligen Schritten das Bergle herauf. Er hatte nach dem Häusle gewollt und die Leiche am Bach liegen sehen. Ganz gegen sein sonstiges, ruhiges Wesen zeigte er sich im höchsten Grad darüber aufgeregt und stürmte auf den Musterwirt so schnell mit Fragen ein, daß zwischen denselben gar keine Zeit zu ihrer Beantwortung blieb. Da aber hielt er plötzlich inne und schaute dem Genannten entrüstet in das Gesicht.
    „Sie lachen, Herr Frömmelt!“ rief er aus. „Es ist doch wahr, was man von Ihnen sagt: Sie sind verrückt geworden!“
    „Nur übergeschnappt, nämlich aus einem Körper in den anderen“, antwortete der Getadelte. „Was ihr superklugen Menschen euch doch für konfuse Bilder macht! Ihr laßt ganze Bücher von der Macht des Geistes über den Körper handeln. Wenn euch aber einmal ein Geist beweist, daß er sogar fremde Menschenkörper genauso wie seinen einstigen zu beherrschen vermag, so nennt ihr ihn – verrückt! Was wißt ihr von dem Geist und der Seele! Nur Falsches, nichts als Falsches! Ihr selbst seid irr! Alle eure Sinne werden nur vom Wahn regiert, und das ist der einzige, der allereinzige Wahnsinn, den es gibt! Mein Geist ist klar. Er hat sich selbst erkannt. Sie aber, Herr Lehrer, sind ganz in demselben Grad irrsinnig wie alle, die an meinem Verstand zweifeln. Sie kommen grad im rechten Augenblick. Hier, lesen Sie diese Zeilen!“
    Bernstein nahm die Quittung, überflog sie und schaute dann die Mutter fragend an. Diese zeigte auf das Geld, welches jetzt offen auf dem Tisch lag, und sagte, daß man es bei Fräulein Rosalia gefunden habe. Die Quittung sei ihr von Herrn Frömmelt diktiert worden.
    „Für wen?“ fragte er hierauf den Musterwirt.
    „Für Herrn Frömmelt“, antwortete dieser.
    Der Lehrer schüttelte den Kopf und machte ein

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