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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und jedem, der im Finstern den Schritt über seinen Rand hinausleitete, Tod und Verderben bringen mußte.
    So gern man den dunklen Forstweg betrat, welcher zu der ‚Kanzel‘ führte, wie der Balkon genannt wurde, der Grund des Felsenbruchs wurde nur wenig betreten; es knüpfte sich an ihn die Erinnerung an ein grausiges Verbrechen, welches vor Jahren hier verübt worden war und von dem man noch heute mehr und öfter im Dorf erzählte, als es bei der seitdem verflossenen Zeit zu vermuten war.
    Aus einer kleinen Öffnung des sonst festgeschlossenen Gesteins floß ein klarer Quell hervor, dessen leise murmelnden Wellen sich erst durch allerlei Bruchgeröll einen vielgekrümmten Weg suchten und dann die Schlucht entlang den Ausgang in das von ihnen befeuchtete Tal fanden.
    Seinem Ufer entlang schritt jetzt Gustav langsam dahin. Er hatte keine dringende Arbeit vor und konnte sich die Kühlung gönnen, welche ein Gang an dem von Büschen bestandenen Bach nach dem heißen Tag gewährte. Nur mit seinen Gedanken beschäftigt, achtete er weder auf Zeit und Ort und war darum beinahe verwundert, als er, unwillkürlich aufblickend, die Bemerkung machte, daß er die Schlucht passiert habe und bereits am Eingang zum Bruch stehe. Es gab für ihn allen Grund, diesen Ort zu meiden, und er hatte ihn darum auch seit Jahren nicht betreten; heute aber trieb es ihn vorwärts nach der Stelle, auf welche der Ursprung so mancher bitterer Erfahrungen zurückzuführen war.
    Gerade unter der Kanzel, und nur wenige Schritte von der Felsenwand entfernt, stand ein hölzernes Kreuz mit einer Inschrift auf dem Querbalken, deren Leserlichkeit unter dem Einfluß von Regen und Wetter sehr gelitten hatte. Sie lautete: ‚Hier starb am 10. September 1845 der wohlachtbare David Friedrich Heinemann eines gewaltsamen Todes. Er war 26 Jahre alt und wurde meuchlings von der Kanzel herabgestoßen von –‘ Über den boshaften Gedankenstrich hatte eine übelwollende Hand mit Bleistift die zwei Worte: ‚dem Teufelsbauer‘ gesetzt und hinter ihnen folgte die Bemerkung: ‚Zur Erinnerung an den Mörder, errichtet von Andreas Heinemann.‘
    An dem Kreuz lehnte eine Mädchengestalt, welche von Gustav erst bemerkt wurde, als er um ein herabgestürztes Felsstück trat, dessen zerborstene Masse sich gerade vor das Erinnerungszeichen gelegt hatte. Er wäre gern zurückgewichen, aber es war zu spät dazu; sie hatte ihn schon bemerkt.
    „Grüß Gott, Mamsell Heinemann!“ klang es kurz und fremd. „Ich habe nicht gewußt, daß jemand hier ist, den ich störe. Aber brauchst dich nicht zu fürchten; ich gehe schon wieder!“
    „Gustav!“ hörte er die zögernde Stimme, als er sich bereits gewendet hatte. Er kehrte sich ihr wieder zu.
    „Was ist's? Willst du etwas sagen?“ fragte er.
    „Ja“, antwortete sie schüchtern. „Ich möchte dich gern um etwas bitten!“
    „Habe nichts dawider. Sprich.“
    „Ach nein; wenn du so feindselig redest, so getrau' ich es mir nicht!“
    Er überflog sie mit fragendem Blick. Er war ihr oft begegnet, aber noch nie hatte er bemerkt, was ihm jetzt so deutlich in die Augen fiel; sie war schön, schöner vielleicht als alle Mädchen, welche er kannte. Und wie mild und freundlich lag es auf ihrem offenen, rosigen Gesichtchen! Es ging eine eigentümliche und ihm bisher fremde Bewegung durch sein Inneres, und in sanfterem Ton sprach er:
    „Ich bin dir nicht feind. Sage nur immer, was du begehrst!“
    „Ich möchte, daß du nicht wieder so zu mir sagst, wie vorhin!“
    „Wie denn anders?“
    „Hast du denn noch nicht gehört, wie mein Name lautet?“
    „O ja, Kathrine; aber hast du auch gehört, wie der unsere klingt? Dein Vater hat mich vorhin Beelzebub geheißen; willst du etwa mit dem Teufel vertraulich tun?“
    „Der Vater? Bist du ihm auch begegnet?“
    „Ja.“
    Sie trat einen Schritt näher, hielt ihm die Hand entgegen und fuhr fort:
    „Ich habe nichts gemein mit dem, was der Vater treibt, ich nicht und die Mutter auch nicht. Komm, vergib mir das, was er euch tut, und nenne mich nicht anders, als wie ich's gewöhnt bin. Willst du?“
    „Ja, ich will, Kathrine! Ein gutes Wort findet seine gute Statt, und dir könnte ich erst recht nimmer was abschlagen!“
    Sie entzog ihm die Hand nicht, welche er ergriffen hatte und festhielt. Sie fragte:
    „Ist's wahr? Aber es ist nur so schwer, dir eine Bitte zu sagen. Dich sieht man nur höchstens einmal auf dem Feld, doch sonst bist du gar nirgends zu finden!“
    „Möchtest du

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