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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gescholtene hinzu und gab das Bild, welches sie gehalten hatte, in den zweiten Kranz hinein. Es stellte einen Jüngling in Studententracht vor, und eine Vergleichung mit Haubold ließ erkennen, daß er selbst dazu gesessen hatte.
    „So, nun geh!“ sprach er. „Ich kann hier niemand gebrauchen.“
    Sie sah ihn bittend an. Ihre Augen, in denen ein heller Tropfen schimmerte, glichen jetzt fast denjenigen, mit welchen das Mädchenbild so voll und offen aus dem Rahmen schaute.
    „Ich sah Euch gehen“, entschuldigte sie sich endlich mit leise zitternder Stimme, „und dachte, ich könnte inzwischen hier mal nach der Ordnung sehen!“
    „Das tue ich selbst“, antwortete er in milderem Ton. „Nicht wahr, das hast du gewußt und bist nur aus Neugierde hergekommen?“
    Sie schlug beschämt die Augen nieder und bat:
    „Seid nur nicht bös, Herr Haubold! Es tut so leid, wenn Ihr mir zornig seid!“
    „Das habe ich schon gesehen, Marie! Bist stets ein gutes Herz gewesen, und hätte ich dich nicht gehabt damals in den Jahren voll Trübsal und Traurigkeit, so wäre ich schier ohne Liebe und Trost zugrunde gegangen. Aber laß nur meine Klause allein! Du hast im Haus genug zu tun und solltest dich nicht auch noch mit mir besorgen.“
    „Ich tät's so gerne!“ antwortete sie, und bei diesen Worten ging es so hell und warm über ihr Gesicht, daß die Zerstörung, welche die Pocken in demselben angerichtet hatten, sich vollständig vergessen ließ. Dann legte sie die Hand leise in seine dargebotene Rechte und entfernte sich.
    Er stand unbeweglich, bis ihre Schritte verschollen waren.
    „Was hatte sie mit meinem Bild zu tun? Und diese Augen! Ich habe diese Ähnlichkeit noch niemals bemerkt. Und hier an derselben Stelle hat die Martha gestanden, als sie plötzlich Abschied nahm, und mit derselben Stimme dieselben Worte gesagt: ‚Seid mir nicht bös, Herr Haubold!‘ Oh, Martha, warum bist du damals fort und hast es auch geglaubt, daß ich der Mörder bin!“
    Er nahm das Bild des Mädchens von der Wand und betrachtete es mit dem Ausdruck unaussprechlicher Liebe.
    „Nur noch ein einziges Mal möchte ich dich sehen und wissen, wie's dir geht! Ein einziges Mal nur möchtest du zu mir kommen, um zu erfahren, wie treue Liebe ich gehegt habe und alles hier in deiner Stube gelassen, wie es war, als du gegangen bist! Aber du kommst nimmer wieder, und ich – ich habe vergebens an deine Liebe geglaubt!“
    Sie war eine Schauspielerin gewesen und hatte zu einer jener armen Truppen gehört, welche es nicht verschmähen, auch in kleineren Städten oder größeren Dörfern ihre Bühnen aufzuschlagen. Sein Vater hatte, als wohlhabendster Mann des Orts, sich solcher ‚Künstler‘ immer wohlwollend angenommen. Da sie ziemlich regelmäßig kamen, so war im alten Turm dieses Zimmerchen hergerichtet worden, um der Frau ‚Direktorin‘ als stets für sie bereite Wohnung zu dienen. Einst aber war eine bisher noch unbekannte Truppe eingezogen, und da es bei dieser noch keine ‚Direktorin‘ gab, war das Zimmer der ‚ersten Sängerin‘ eingeräumt worden, die man in der vertraulichen Weise der Gebirgsdörfler bei ihrem Vornamen Martha nannte.
    Zu der gleichen Zeit war der damalige Student auf Ferien daheim gewesen, und es hatte sich zwischen ihm und der Sängerin eine jugendlich reine, selbstlose Zuneigung entwickelt, welcher aber, wenn auch aus ganz verschiedenen Gründen, sein Vater und der Bruder des jetzigen Wiesenbauers hindernd entgegengetreten waren. Die Schauspielerin hatte das Haus verlassen müssen, nachdem ein unglückliches Ereignis eingetreten war, über welchem noch heutigentags das Dunkel des Geheimnisses schwebte.
    Wie tief der jetzige ‚Teufelsbauer‘ von jenen Vorkommnissen berührt worden war, bewies der Umstand, daß er damals sein Studium aufgegeben hatte und das Stübchen der einstigen Freundin noch heute als ein Heiligtum betrachtete, welches kein fremder Fuß betreten durfte. Er war nie wieder auf den Gedanken gekommen, dem Hof eine Bäuerin zu geben. Martha war eine jener reinen, fleckenlosen Seelen gewesen, welche bei umherziehenden sogenannten Künstlern nur höchst selten zu finden sind. – – –
    Die letzten Halme waren zusammengeharkt, und Katharine steckte den Rechen in die Garben, mit denen der Leiterwagen hoch beladen war.
    „Nun, was soll's, daß du dir's so bequem machen willst?“ fragte der Wiesenbauer, indem er nach den Zügeln griff.
    „Darf ich nicht noch ein wenig außen bleiben, Vater? Es

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