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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ist Sonntag heute, und du brauchst mich jetzt doch nicht weiter.“
    „Habe nichts dawider; ihr Weibsleute wißt immer am besten, wann der Sonntag ist, an dem ihr die Hände in den Schoß legen müßt. Aber sei zur rechten Zeit zu Hause, damit das Vieh nicht versäumt wird!“
    Das Fuhrwerk setzte sich in Bewegung, zu beiden Seiten von Knecht und Magd geleitet, welche bereit waren, mit den langen Heugabeln die schwanke Ladung im Gleichgewicht zu erhalten. Sie hatten schon eine ziemliche Strecke zurückgelegt, als sie beim Passieren eines Hohlwegs lauten Peitschenknall vor sich vernahmen. Heinemann antwortete in derselben Weise. Der Nahende mußte außerhalb der Senkung warten, da innerhalb ein Ausweichen nicht möglich war. Als der Fahrweg wieder offenes Terrain erreichte, sahen sie Gustav, welcher mit seinem Geschirr und einigem Gesinde an der Seite hielt.
    „Ah, du bist's?“ fragte Heinemann höhnisch. „Erst sieht man den großen und nachher den kleinen Beelzebub; das hat nichts Gutes zu bedeuten! Aber zu verwundern ist es nicht, daß euch das Gewissen aus dem Hof treibt, denn euer Wappen ist dort an die Wand geschrieben!“
    Er zeigte bei diesen Worten nach der Ruine, auf deren von hier sichtbaren Rückseite eine große, schwarze, mit Schwanz, Hörnern und Pferdehufen ausgestattete Teufelsgestalt zu bemerken war. Gustav bog sich mit zornig glühendem Gesicht über den Leiterbaum herüber und antwortete:
    „Merk's, Wiesenbauer, was ich dir heute sage: Die Erntezeit ist eine heilige Zeit, und wer sie durch Bosheit entweiht, der wird die Strafe finden. Was man in den Acker tut, das gibt er sorgfältig wieder; du hast Wind und Asche gesät, und wirst Sturm und Feuer ernten!“
    „Oho!“ lachte Heinemann. „Wie kommst denn du zu dieser frommen Predigt? Also Feuer werde ich ernten! Was ihr auf dem Teufelshof seid, das weiß hier jedermann; wollt ihr mir etwa auch noch den Brand ins Haus legen? Fahr' zu, Teufelsbub! Ich kann dich nicht in meiner Nähe leiden!“
    Er hieb mit der Peitsche auf Gustavs Pferde ein; diese bäumten sich erschreckt empor und sprangen zur Seite auf seine eigenen Tiere ein, welche, dadurch scheu gemacht, sich schnaubend in die Stränge legten und mit dem Wagen davonrannten. Sie kamen nicht weit; die hohe Ladung geriet ins Wanken, verlor das Gleichgewicht und stürzte krachend auf die Seite.
    „Das ist ein schneller Lohn!“ meinte der Tannenbauer, indem er sein Gespann beruhigte und dann die unterbrochene Fahrt fortsetzte. „Es mag ihm nur nicht schlimmer kommen!“
    Es waren die letzten Getreideschütten, welche er zu holen hatte; die Arbeit des Aufladens war bald getan, und er übergab das Fuhrwerk dem Knecht, ihm sagend:
    „Fahr' du das Fuder heim! Es ist nicht hoch und wird dir keine Mühe machen. Ich geh' derweil ein bißchen hier den Bach entlang und komme schon noch zur rechten Zeit nach Hause. Es ist ja heute Sonntag!“
    Wie sein Oheim heute am Vormittag, so fühlte auch er jetzt infolge der inneren Aufregung das Bedürfnis nach Einsamkeit, und einsamer gab es in der ganzen Gegend keinen Ort als denjenigen, nach welchem er seine Schritte lenkte.
    In den Höhenzug, welcher das Tal, auf dessen Sohle das Dorf sich streckte, abschloß, schnitt eine enge Schlucht ein, deren hinterer Teil sich erweiterte und einen felsigen Kessel bildete, dem durch den Abbau von Bruchsteinen das ursprüngliche grüne Pflanzenkleid verloren gegangen war. Fast senkrecht stiegen die hohen, nackten Felsenwände empor, hier und da eine scharfe Spitze hervorschiebend; kein Strauch, kein Bäumchen ließ sich blicken; nur selten spitzte ein dünnes Grasbüschel aus einer schmalen Ritze hervor, und nur da, wo ungefähr in der halben Höhe der Wand vorzeiten eine höhlenartige Vertiefung in das Gestein gesprengt worden war, hatte sich am unteren Rand desselben allerlei Dorngestrüpp und herbeigewehtes Laubwerk angesammelt. Hoch oben an der äußersten Kante des Kessels trat eine balkonartige Hervorschiebung aus dem Felsen heraus, welche mit einer hölzernen Barriere versehen war.
    Diese Stelle wurde Sonntags und an anderen arbeitsfreien Tagen von den Dörflern gern besucht, da sie durch die Schluchtöffnung hindurch einen weiten Ausblick in das Land hinaus eröffnete.
    Der einsame Kessel führte in der Umgegend den Namen ‚Felsenbruch‘ und war für nächtliche Verirrte eine gefährliche Stelle, da er, ringsum von Hochwald umgeben, ganz unvorbereitet plötzlich und beinahe lotrecht hinunter in das Tal fiel

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