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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Ruf ausgestoßen hatte. Er hätte nicht vermocht, sich Rechenschaft über denselben zu geben, aber er glaubte selbst so fest an die Wahrheit seiner Worte, als läge der Wiesenhof schon in Schutt und Asche vor ihm.
    Ein klagender Laut ließ ihn zur Seite blicken. Dort saß mit tränenden Augen und gefalteten Händen Kathrine zusammengesunken auf der Bank.
    Er trat zu ihr hin.
    „Bist wohl matt vom Schreck, Kathrine?“ fragte er sie.
    „Ist's wahr vom Feuer?“ stieß sie hervor.
    „Ich habe nicht gesehen, ob's brennt und wo.“
    „Aber du sagtest doch, daß es bei uns sei!“
    „Nicht ich hab's gesagt; die Ahnung hat aus mir gesprochen. Komm, geh, ich will dich führen.“
    „Ich weiß nicht, ob ich kann. Ach Gott, was hast du heute getan?“
    „Ist's bös gewesen, Kathrine? Dann will ich die ärgste Strafe erleiden, die es gibt; du sollst mich nimmer wieder anschauen, und ich gehe!“
    „Nein, bleib, Gustav! Der Vater hat mich verlassen, und kein anderes hat an mich gedacht. Ich kann ohne deine Hilfe nicht von hier weg. Komm, ich will mich auf dich stützen!“
    Er nahm sie in den Arm, um sie fortzugeleiten. Als sie auf die Straße traten, war dieselbe fast taghell erleuchtet. Kein Regentropfen fiel zur Erde; nur den einen Blitzstrahl hatte das Wetter herabgeschleudert und war dann vom Sturm hinweggetrieben worden. Aber oberhalb des Gasthofs stieg eine rotglühende Lohe flackernd empor, in welcher brennende Gartenbüschel wirbelten. Das Feuer mußte die kaum eingeheimste Ernte ergriffen haben.
    „Die Erntezeit ist eine heilige Zeit, und wer sie durch Bosheit entweiht, der wird die Strafe finden!“ hatte Gustav heute zu Heinemann gesagt. Er hörte noch die Worte desselben: „Dann ist's nicht eher, als bis ich das Feuer gesehen habe, das du mir heute versprachst!“ in seinem Ohr klingen, und als er jetzt forschend aufblickte, um zu bestimmen, wo es brenne, ergriff ihn ein heiliges Grauen vor der Sicherheit seiner eigenen unwillkürlichen Prophezeiung.
    Es war kein Zweifel möglich: der Wiesenhof stand in Flammen. – – –
    Als Heinemann in die Nähe seiner Wohnung kam, drohten im die Knie zusammenzubrechen. Er war nächst dem Tannenbauer als der reichste Mann im Dorf bekannt und hatte auf den Mammon gepocht, ohne für Unglücksfälle, wie der jetzt ihn treffende einer war, die gewöhnlichen Vorkehrmaßnahmen zur Sicherung seiner Habe zu treffen. Der Bauer befreundet sich nur langsam mit Einrichtungen, deren Nützlichkeit ihm nicht sofort und schwerwichtig in die Augen fällt, nimmt der Spekulation gegenüber gern eine mißtrauisch zuwartende Haltung an und betrachtet selbst das Versicherungswesen mit einer Vorsicht, deren Folgen er nicht selten zu beklagen hat.
    Der Wiesenhof war nicht versichert, und sein Besitzer dachte in diesem Augenblick nicht an die Gefahr, in welcher sich Weib und Kind befanden, sondern nur an den schweren Verlust, den das gefräßige Element ihm bereiten mußte.
    Sowohl die mit Getreide gefüllte Scheune als auch die Stallung, in deren oberen Räumen ein bedeutender Vorrat duftenden Gebirgsheue untergebracht war, brannte lichterloh; der funkensprühende Schwalch leckte bereits an dem Hauptgebäude, und doch war kein Mensch in dem tageshell erleuchteten Hof zu sehen. Die Bewohner schienen nur mit ihren nächsten Habseligkeiten beschäftigt und an das arme Vieh nicht zu denken, welches ängstlich nach Rettung brüllte.
    Heinemann schwankte nach dem Stall und öffnete die Tür. Mit Hilfe der jetzt herbeieilenden Nachbarn gelang es ihm, die Tiere in das Freie zu bringen; damit war es aber auch vollständig mit seiner Kraft zu Ende, und zusammenbrechend sank er auf einen der Sessel nieder, welche man aus der Wohnstube mit anderen Möbeln herbeigetragen brachte.
    „Steh' auf, Wiesenbauer“, mahnte ihn eine schnarrende Stimme. „Es ist von deinem Gesinde gar niemand zu sehen, und es muß doch auch wer da sein, der in dem Gedränge auf Ordnung sieht!“
    „Laß mich!“ antwortete er. „Ich mag gar nichts mehr wissen auf der Welt! Du bist doch der Richter und kannst die Ordnung führen!“
    „Ich habe nicht Zeit dazu. Jetzt kommt die Spritze, und bei der muß ich sein, damit sie die richtige Stelle im Auge behalten!“
    „So geh! Mit mir ist's aus; mir ist nun alles gleich!“
    Es stürmte vom Turm. Das waren dieselben Glocken, deren frommes Mahnen er heute von sich gewiesen hatte. Wie ganz anders klang jetzt ihre Stimme! Er hörte sie nicht; er hatte keine Sinne mehr für die

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