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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bleiben. Der Ort war voller Menschen, die von allen Seiten herangekommen sind, grad wie zum Jahrmarkt, und die Herrschaften sind Arm in Arm durch das Volk gegangen und haben im ganzen Gesicht gelacht vor Freude, als die Hüte und Mützen ringsum in die Höhe geflogen sind und alles ‚Vivat hoch!‘ gerufen hat.“
    Er erzählte weiter, und es gelang ihm, sie in eine weniger traurige Stimmung zu versetzen. Bei dem Dukatenhof angekommen, hemmten sie ihre Schritte.
    „Wie lange bleibst du jetzt da?“ erkundigte sich Emma.
    „Für stets.“
    „Ist's wahr?“ rief sie erfreut. „Gehst nicht wieder fort?“
    „Wenn du mich nicht fortschickst, nein! Meine Zeit ist um, und ich mag nicht weiter dienen. Zwar hat es mir ganz gut gefallen, und ich bin auch vorgerückt; darum haben sie mir viel zugesprochen, daß ich bleiben soll; aber die Eltern brauchen mich notwendiger als der König. Ich könnte wohl mal eine gute Versorgung haben, doch das liegt noch weit im Feld, und hier wird sich wohl auch was für mich finden. Wenn du in Not und Sorgen bist, so mag ich nicht fort sein, sondern will bei dir bleiben.“
    „Dir kann's ja nimmer fehlen! Du bist ein tüchtiger Bauer; das ist besser als Soldat, und dann hast du ja auch den Anteil von den Paketen, die du damals den Paschern abgenommen hast. Das ist ein schönes Stückchen Geld, denn der Köpfle-Franz hat seinen Pack nicht annehmen wollen und dir überlassen, nicht wahr?“
    „So ist's. Aber es geht mir auch wie ihm; ich mag's nicht haben. Zwar ist's kein Sündengeld, aber es brennt mir in der Hand und wird nie Segen bringen. Der, dem's gehört, soll's wieder haben!“
    „Kennst du ihn denn?“
    „Ich werde es schon erfahren. Und nachher ist –“
    „Geh' fort!“ unterbrach sie ihn. „Der Vater! Mach schnell“, fügte sie ängstlich hinzu, „sonst sieht er dich!“
    Wilhelm drehte sich ruhig und ohne ein Zeichen des Schreckens nach dem Eingang um. Dort erschien ein Mann, dem ganz wie dem Köpfle-Franz die Beine fehlten, und welcher auch wie dieser den Oberkörper in einen Rollkasten geschnallt hatte. Der schwarze, dichte Bart war lange Zeit nicht verschnitten worden, hing ihm fast bis auf die Brust herab und bildete einen höchst auffallenden Kontrast zu dem schneeweißen Kopfhaar, welches sich lang und glatt über den bleichen, hohläugigen Schädel legte. Es war der Dukatengraf; eine einzige Nacht hatte sein Haar gebleicht; eine einzige Nacht hatte ihn aus der Höhe, in der er sich wähnte, in die Tiefe gerissen. Sein Auge hatte die Gruppe erfaßt.
    „Bleib' stehen Wilhelm, brauchst dich nicht zu fürchten, denn ich kann dir nichts mehr anhaben!“ sagte er.
    Er schob sich mit den beiden Hölzern, welcher er gerade wie der Köpfle-Franz in den Händen hielt, herbei und wandte sich an Emma:
    „Ich werde jetzt meine erste Ausfuhr machen, nicht mit der Staatskarosse und nicht mit dem Braunen, den mir der Baron abgenommen hat, sondern hier auf dem Bußwagen, den ich mir wohl erworben habe. Laß die Tür offen; ich werde erst spät wieder zu Haus sein!“
    Dann legte er das Holz auf die Erde und hielt dem jungen Mann die Rechte entgegen:
    „Wilhelm, du hast mal zu mir gesagt, daß die Ohrfeige, die ich dir gegeben habe, mit auf die Rechnung kommen soll. Sie hat nicht draufgestanden; sie konnte nicht draufstehen, und darum hast hier meine Backe oder meine Hand. Schlage zu, oder, wenn du mir verzeihen willst, so reiche mir deine Hand.“
    Der Angeredete war so erschüttert von der Demut des einst so stolzen und selbstbewußten Mannes, daß er kaum zu reden vermochte. Er gab ihm beide Hände und antwortete:
    „Herr Graf, ich habe Ihnen ja längst verziehen; Gott gebe, daß ich es Ihnen beweisen kann.“
    „Das kannst du, Wilhelm. Sei gut gegen die Emma, und verlaß sie nicht, wenn ich fort sein werde! Sie ist besser als ihr Vater, tausendmal besser, und ihr werdet glücklich miteinander sein. Jetzt aber muß ich fort. Geht nur immer hinein in die Stube, und du, Wilhelm, grüße mir auch deine Mutter, die Marie; ich bin nicht wert, daß solch Gesinde in meinem Haus gewesen ist!“
    Vier Augen blickten ihm nach, als er sich nun mühsam und unbeholfen entfernte, aber die Tränen, welche sie füllten, ließen seine Gestalt ins undeutliche fließen. Emma schluchzte laut und krampfhaft, und Wilhelm hatte sich an den Zaun gelehnt, als müsse er gegen die auf ihn einstürmenden Gefühle erst eine Stütze suchen.
    Graf schob sich das Dorf hinauf. Auf beiden Seiten der

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