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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Straße eilte der Ruf von Haus zu Haus: „Der Dukatenbauer kommt; paßt auf! Wo wird er hinfahren?“ Er nickte, still grüßend rechts und links und verfolgte unbekümmert um die ihm in einiger Entfernung nachkommenden Neugierigen seinen Weg bis an das Haus des Köpfle-Franz.
    Tür und Läden waren verschlossen. Er klopfte an.
    „Wer ist draußen?“ fragte der Besitzer des Häuschens von innen.
    „Mach' auf, Franz; ich bin's, der Heinrich!“
    „Welcher Heinrich?“
    „Nun, der – der – der vom Dukatenhof!“
    „Bleib' draußen! Bei mir darf niemand herein, und du erst gleich gar nicht!“
    „Mach nur auf. Ich habe dir etwas zu sagen!“
    „Sag's andern! Von dir mag ich nichts hören!“
    „Du wirst's schon hören wollen; es ist etwas von der Anna.“
    „Von der Anna? Was denn?“
    „Laß mich nur erst ein, dann werde ich es dir sagen.“
    „Geh fort! Von dir mag ich nichts wissen, auch über die Anna nicht.“
    „Es sind zwei Briefe von ihr, die ich dir bringe!“
    „Zwei Briefe? Wer hat sie geschrieben?“
    „Sie selbst. Bitte schön, laß mich ein!“
    „So komm!“
    Die Tür wurde geöffnet. Im Flur war es dunkel, aber in der Stube brannten die beiden Kerzen zu Seiten des Tisches, und ihr Schein fiel verklärend über das aufgeschlagene Bild der Verstorbenen.
    Es war ein wichtiger, ein großer, ein entscheidender Augenblick für die beiden Männer, welche sich jetzt in dem ärmlichen Raum gegenüberstanden oder vielmehr gegenüberkauerten. Die Augen des Köpfle-Franz funkelten glühend und voll unsagbaren Hasses auf den Zerstörer seines Lebensglücks, und es zuckte über seine Gestalt, als müsse er sich beherrschen, um nicht über ihn herzufallen. Aber je länger er ihn betrachtete, desto mehr verschwand der drohende Ausdruck seines Gesichts; die Hände ballten sich, und in ruhigerem Ton erklang es:
    „Komm' näher; hast nichts zu fürchten!“
    Grafs Auge fiel auf das Bild.
    „Darf ich hin?“ fragte er.
    „Ja; aber nicht angreifen!“
    Er schob sich an den Tisch; aber nicht lange hatte sein Blick auf den bekannten Zügen geruht, so wandte er das Angesicht zur Seite und ließ den Kopf zur Erde sinken. Franz näherte sich ihm.
    „Hast du sie denn lieb gehabt?“ fragte er.
    „Lieb gehabt?“ fragte Graf erstaunt. „Nein, nicht lieb gehabt habe ich sie, sondern wahnsinnig bin ich vor Liebe gewesen, sonst wäre ich doch nicht das, was aus mir geworden ist! Aber sie hat mich nicht leiden mögen all ihr Leben lang, und da bin ich immer mehr auf die schlechte Seite gefallen; das Herz ist mir versteint, und ich habe nur Gefallen gefunden an dem, was andere Leute verdrossen und geärgert hat.“
    „Sie hat dich nicht leiden mögen?“ ertönte es hastig und mit zitternder Stimme.
    „Nein, niemals, bloß weil sie dich lieb hatte.“
    „Mich lieb gehabt? Aber sie ist doch deine Frau geworden!“
    „Weil sie gemußt hat. Als ihr Vater tot war, hat ihr die Mutter in den Ohren gelegen, weil der es um die Versorgung zu tun gewesen ist. Und ich, ich habe alles hervorgesucht, um ihren Willen zu brechen. Ich habe gesagt, daß ich im Mordloch gewesen bin und gesehen habe, daß du ihren Vater wirklich erschossen hast, und daß ich gegen dich zeugen und schwören wolle, wenn sie nicht meine Frau werde. Das hat geholfen. Um dich zu retten, hat sie endlich ‚Ja‘ gesagt.“
    „Um mich zu retten!“ jauchzte Franz. Seine Liebe hatte im Laufe der Jahre eine vollständig ideale Richtung genommen; er dachte nicht an die bodenlose Schlechtigkeit, welche in dem Verhalten Heinrichs gelegen, dachte nicht daran, daß gerade dieser Beweis von Liebe ihn um ihren Besitz gebracht hatte, sondern er fühlte die furchtbare Last von sich genommen, welche der Gedanke, daß ihr Herz dem Dukatengrafen gehöre, auf ihn geworfen hatte. Unter ihrem Druck hatte er mehr gelitten als unter der äußeren Verstümmelung, sie hatte auch die Kräfte seines Geistes gebrochen und ihn zu dem ‚Verrückten‘ gemacht, der von den Unverständigen verspottet und von den Einsichtsvollen bemitleidet wurde.
    „Ja, nur um deinetwillen. Sie hat mir das auch nie verschweigen mögen. Wenn du unter den Bäumen gelegen bist, so hat sie im Garten gestanden und geweint und nach dir hingeblickt, und wenn du auf Reisen gewesen bist, so ist sie an dein Haus gegangen und hat stundenlang vor deiner Tür gesessen. Ich hab's nicht leiden wollen, aber sie ist mir immer wieder entschlüpft, und da ihr euch beide doch nie getroffen und gesprochen

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