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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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geblieben bis heute, warum, das kannst du dir denken.“
    „Zeige her!“
    Er war nur kurz, aber sein Inhalt brachte einen tiefen Eindruck, eine außergewöhnliche Wirkung auf Franz hervor. Mit geschlossenen Lidern lehnte er an der Wand; die widerstreitenden Empfindungen seines Innern gingen in bald zornigen, bald milderen Zügen über sein matt erleuchtetes Gesicht; Minute um Minute verrann; die Lichter brannten herab; zischend und flackernd verlöschte eins nach dem anderen; es wurde dunkel in der Stube, und noch immer regte er sich nicht. Endlich, endlich klang ein langer, schwerer Seufzer durch die Stille.
    „Heinrich!“ hauchte er.
    „Franz!“ antwortete der andere.
    „Ich habe dir vergeben!“
    „Franz, ist's möglich, ist's wahr?“
    „Ja! Die Anna hat's gewollt; in dem Brief, da steht's geschrieben, und da will ich's auch tun. Wir sind Freunde gewesen von Jugend auf bis an den Tag, wo meine Liebe zu ihr uns getrennt hat; meine Liebe zu ihr soll uns nun in unseren alten Tagen auch wieder zusammenführen. Sie hat dir vergeben in ihrer Todesstunde, ich will auch alles vergessen und nimmer wieder davon reden, so lange ich noch lebe!“
    „Gib mir deine Hand darauf, Franz!“
    „Die sollst du haben, aber nicht hier, wo meine Flüche über dich zum Himmel gestiegen sind, hier ist's nicht heilig genug dafür; komm mit!“
    Sie verließen das Haus.
    Längst schon war es Nacht geworden, und tiefe Ruhe lag über dem Dorf. Schweigend folgte Heinrich seinem Führer, welcher denselben Weg nahm, den Graf vorhin heraufgekommen war. Die Schenke wurde zugeschlossen, und der letzte Gast, welcher sie verließ, kam ihnen mit langsamen Schritten entgegen. Als er die beiden außergewöhnlichen Gestalten bemerkte, blieb er stehen und sagte zu ihnen:
    „Das ist ja der Köpfle-Franz mit dem Dukatengrafen! Ich bin schon oft bei dir gewesen, Franz, hab' aber nicht hinein gekonnt.“
    Es war der alte Ortsvorsteher.
    „Ist auch nicht nötig. Zu mir braucht niemand zu kommen, du auch nicht“, antwortete Franz.
    „Ich wollte dir nur sagen von wegen damals, als ich dich bei deiner toten Mutter traf, daß ich dir unrecht getan habe.“
    „Das brauchst du mir nicht zu sagen, das habe ich schon ganz von selber gewußt. Der Franz hat damals ohne dich fertig werden müssen, er braucht dich heute auch nicht. Mache, daß du nach Hause kommst!“
    Die Begegnung mit dem Mann, der dem Trostbedürftigen einst so hart entgegengetreten war, hatte seine jetzige Stimmung wie eine Entweihung berührt. Er entfernte sich, so schnell es seine Gebrechlichkeit gestattete. An der Kirche angekommen, lenkte er nach dem Gottesacker ein, dessen Tür niemals verschlossen war. Heinrich folgte ihm. Er wußte nun, wohin der Weg gehen sollte; es war derselbe, welchen er auch unternommen hätte, wenn er allein von seinem bisherigen Feind zurückgekehrt wäre.
    Das Grab war trotz der Dunkelheit rasch gefunden; der feine Duft der Reseda zeugte davon, daß der Hügel in einer liebevollen Pflege stehe. Da sagte Franz:
    „Komm her, Heinrich! Ich habe mich von der Toten gewandt, weil sie die Dukatenbäuerin war; das hat sie nicht verdient, und darum werde ich's wieder gut machen. Bleib' drüben; sie soll mitten zwischen uns sein. So, und nun reich' mir deine Hand herüber, und sie mag hören, was ich dir alleweil sage. Was du an uns getan hast, das ist so gut, als hättest du's niemals getan. Es wird kein Mensch jemals davon ein Wort aus meinem Mund hören. Wir wollen nun wieder Freunde sein, uns Liebes und Gutes erzeigen und immerfort so handeln, daß sie mit uns zufrieden ist. – Und nun, Heinrich, nun wollen wir beten!“
    „Franz, warte noch!“ Man hörte es der Stimme an, in welcher Bewegung sich der Sprecher befand. „Wir dürfen nicht heimlich beten, sondern laut. Ich hab's heute hier tun wollen auch ohne dich, und daß du mit dabei bist, das soll's nicht anders machen. Als ich krank und zerschlagen im Bett gelegen bin, da habe ich das Buch vor mir liegen gehabt und das Lied auswendig gelernt, das sie sich zum Begräbnis bestellt hat. Es soll auch mal bei dem meinigen gesungen werden. Und jetzt, jetzt will ich davon beten.“
    Er faltete die Hände. Es war heute ein Tag der Sühne, und eine Sühne sollte es auch sein, die er jetzt an dem Ort brachte, wo sich sein Hochmut gegen die Stimme des göttlichen Wortes empört hatte. Wolken verhüllten des Firmament, nur hier und da blickte aus dem unendlichen Raum ein Stern vorübergehend zwischen ihre

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