73 - Der Dukatenhof
Veranlassung, daß er später als Wilhelm auf dem Hof ankam. Er sah die Möglichkeit ein, daß die gefürchteten Verfolger schon eingetroffen sein könnten, und gebrauchte daher bei seiner Annäherung die äußerste Vorsicht. Nur in kriechender Stellung legte er den Weg durch den Garten zurück, und bei den Stämmen angekommen, strengte er die ganze Schärfe seines Gesichts und Gehörs an, um zu erfahren, ob Gefahr für ihn vorhanden sei.
„Habe mir's doch gleich gedacht“, bemerkte er in sich hinein; „dort lehnt einer am Fensterladen, grad da, wo damals der Franz gestanden ist. Der hat es klug angefangen, so daß ich nicht zur Tür hinein kann, und die Scheune, die hat der Knecht beim Schlafengehen verschlossen.“
Nach kurzer Überlegung beschloß er, zunächst nachzuforschen, mit wieviel Gegnern er es zu tun habe; das Weitere konnte sich erst nachher ergeben. Sich mit der ganzen Körperlänge immer hart am Boden haltend, kroch er langsam vorwärts, und es dauerte bei dieser mühsamen Fortbewegung sehr lange, bis er die Umgebung abgesucht hatte und nun einen Entschluß fassen konnte. Er kehrte zu den Stämmen zurück.
„Es ist der Bube, der Wilhelm, und er ist ganz allein. Die anderen stecken sicher draußen und haben den Hof umzingelt. Ich muß hinein, und ich weiß, wie ich's zustande bringe. Warte, Spion, du stehst mir recht, grad so recht, wie damals der Franz, dein Pate, und diesmal soll es nicht bloß die Beine kosten! Der Franz ist nicht gescheit im Kopf, und was der sagt, das gilt nicht vor Gericht und du, du sollst den Weg zum Amt schon gar nicht finden!“
Damit ein zweites Unglück verhütet werde, hatte man den Stämmen hölzerne Keile als Unterlagen eingeschoben. Er bewegte sich lautlos bis an die Vorderseite des ersten Klotzes und strengte alle seine Kräfte an, sie zu entfernen. An dem einen Ende gelang ihm dies nur nach langer, vergeblicher Mühe, an dem anderen aber war es nun leichter, denn der Stamm hatte jetzt den festen Halt verloren und konnte schon durch einen einigermaßen kräftigen Stoß aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Anstatt diesen Stoß von der Gartenseite vorzunehmen, bückte sich der Graf zu dem zweiten Keile nieder – ein fürchterlicher Schrei erscholl durch die Nacht – ein dumpfes Rollen ließ den Boden erzittern – ein schmetternder Schlag machte das Haus erbeben, grad wie in jener entsetzlichen Nacht, nur daß der Schrei heute vor dem Anprall erfolgte – dann herrschte auf kurze Zeit eine lautlose Stille über dem verhängnisvollen Orte.
Gesühnte Schuld
Der Winter war schon längst vergangen; der Frühling hatte seine Blütenflocken bereits verschneit, und es war Sommer geworden. Im Niederland hatte man die Getreideernte bereits eingeheimst, im Gebirge aber wogte das goldene Ährenmeer noch über die Felder, und nur hier oder da lag auf der Sonnenseite der Sommerroggen auf der Stoppel, um einige Tage gehörig nachzutrocknen.
Es war wieder Sonnabend, aber nicht ein so kühler und düsterer, wie der im vorigen November, dessen Andenken noch nach so langer Zeit unter den Bewohnern die Frische seiner Farben nicht verloren hatte. Die Sonne war längst hinter den nächtlichen Bergen verschwunden, aber es lag noch immer warm und wohlig auf Wald und Feld, auf Flur und Dorf, und die Leute saßen nach vollendetem Abendbrot vor ihren Türen, um sich den heimlichen Regungen hinzugeben, welche das Scheiden eines freundlichen Tages in jedem empfänglichen Menschenherzen hervorruft.
Aus dem Forst trat ein junger Mann, der die hellen, munteren Augen liebevoll über das vor ihm liegende Tal gleiten ließ.
„Grüß Gott, du altes, gutes Nest da unten!“ rief er fröhlich. „Da bin ich endlich und werde nun auch nicht gleich wieder fortgehen!“
Es war Wilhelm. Der bekannte Quersack auf seiner Schulter ließ schließen, daß er wie damals aus der Garnison zurückkehre. Gar nicht weit von ihm war trotz der vorgerückten Stunde eine weibliche Gestalt noch im Klee beschäftigt.
„Wer ist denn das? Ich glaube gar, die Emma! Sie holt Futter für morgen früh. Das ist doch Arbeit für das Gesinde und nicht für die Tochter! Und warum hat man denn den Wagen nicht genommen?“
Er schritt den Rain entlang und schlich sich vorsichtig bis hart an sie heran. Sie merkte sein Kommen nicht. Die Hände von hinten über ihre Augen legend, fragte er mit verstellter Stimme:
„Sage, wer ist's?“
„Wilhelm“, antwortete sie.
„Erraten! Willkommen, Emma! Wie geht's?“
Ihre
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